Der Film "Der Club der toten Dichter" im Pädagogik-Unterricht

Freitag, 23. Januar 2009 um 14:48 Uhr Michael Lenz
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Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik

 Sommersemester 1997

  Hausarbeit

Der Film ‚Der Club der toten Dichter’ im UFP-Unterricht


 


Gliederung

 


Vorbemerkungen (0)

Dieser Hausarbeit sollen drei kurze Vorbemerkungen vorangestellt werden:

·        Einige zentrale Argumentationen und Ideen wurden maßgeblich durch die pädagogische Analyse des Films ‚Der Club der toten Dichter’ in einem gleichnamigen Kolloquium beeinflußt, das von Peter Kraft an der Universität Bielefeld im Rahmen des Lehrangebots der Fakultät für Pädagogik im WS 1994/95 veranstaltet wurde. Der Film wurde in diesem Zusammenhang besonders unter dem Gesichtspunkt der pädagogische Verantwortung analysiert.

·        Da die Dialoge im Film wörtlich nicht den Zitaten im Buch zum Film von N. H. Kleinbaum (1991) entsprechen bzw. der Bedeutungszusammenhang derselben im Buch an manchen Stellen sogar verfälscht wird, basieren alle in dieser Hausarbeit wiedergegebenen Dialoge und Gedichtauszüge auf der deutschen Synchronisation des Filmtons. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich m.E. unter anderem dadurch, daß im Unterricht hauptsächlich der Film zum Einsatz kommen soll, und der Film in seiner deutschen Synchronisation zudem von mir als in sich geschlossenes „Kunstwerk“ betrachtet wird. Es ist jedoch anzumerken, daß auf diese Weise auch Auszüge aus Gedichten in gekürzter Übersetzung wiedergegeben werden.

·        In dieser Hausarbeit sind zum Zweck der Visualisierung viele gescannte Standbilder des Films eingebunden. Daher muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß sämtliche Rechte für die Veröffentlichung dieser Bilder bei der Firma Touchstone liegen.

 

Einleitung (1)

 

Carpe diem! (Nutze den Tag!)

Pflückt Rosenknospen solange es geht, die Zeit sehr schnell euch enteilt,

dieselbe Blume, die heute noch steht,

ist morgen dem Tode geweiht.

(ohne Quellenangabe)

Die Institution Schule wurde in den letzten Jahrzehnten häufig in Kino- und Fernsehfilmen thematisiert (vgl. Koch 1990, S. 56). Kaum ein Film erweckte jedoch dermaßen öffentliches Interesse wie der ‚Club der toten Dichter’ des australischen Regisseurs Peter Weir. Dieser inhaltlich sehr facettenreiche Film ist in der Lage, beim Zuschauer tiefe Emotionen zu erzeugen, sowie zum Nachdenken über Schule und Erziehung im allgemeinen anzuregen, und dies trotz Verzicht auf Modethemen wie Gewalt und überzogene Dramatik. Dennoch kann man diesen Film als „Kunstwerk“ ansehen, an dessen Erfolg Leistungen brillanter Schauspieler wie Robin Williams in der Rolle des Lehrers John Keating sowie Robert Sean Leonard und Ethan Hawke nicht unbeteiligt sind.

Diese Hausarbeit basiert auf der Idee, diesen Film für den Unterricht im Unterrichtsfach Pädagogik zugänglich zu machen. Dabei sollen vor allem die drei folgenden Ziele im Vordergrund stehen:

1)      Inhaltliche Analyse des Films unter pädagogischen Aspekten

2)      Analyse und Systematisierung der pädagogischen Fachliteratur zum Film ‚Der Club der toten Dichter’

3)      Aufzeigen von Anknüpfungspunkten  bezüglich des Einsatzes des Films im UFP- Unterricht, dabei im besonderen: didaktische und methodische Analyse sowie Entwurf einer kurzen Unterrichtssequenz zum ‚Club der toten Dichter’ im UFP-Unterricht

Der folgende Abschnitt liefert zunächst weitere Hintergrundinformationen zum Film, wie eine kurze Zusammenfassung der Handlung (Abschnitt 2.1), den Versuch einer Filmanalyse unter formalen Aspekten, eine Bewertung der unterschiedlichen Medien zum Film (2.2) sowie die Nennung und Systematisierung der pädagogischen Fachliteratur über den Film (2.4).

Im dritten Abschnitt werden fünf inhaltliche Themenaspekte, die auch im UFP-Unterricht behandelt werden können, exemplarisch mittels qualitativer Verfahren analysiert (3.1 - 3.4). In Abschnitt 3.5 folgt die inhaltliche Verknüpfung dieser Themen unter dem zentralen Aspekt der pädagogischen Verantwortung.

Im vierten Abschnitt wird schließlich die Einsatzmöglichkeit des Films im UFP-Unterricht didaktisch (4.1) und methodisch (4.2) eingehender betrachtet. In Abschnitt 4.3 werden mögliche Lernziele bezüglich einer Behandlung des Films im Unterricht benannt und fachdidaktisch begründet. Ein Beispiel für eine Unterrichtseinheit zum Film folgt in Abschnitt 4.4.

Abschließend werden die zentralen Aspekte und Ergebnisse unter Punkt 5 zusammengefaßt.


 

‘Der Club der toten Dichter’ – Medien und Inhalte (2)

 

„‘O Captain, mein Captain!’ Wer weiß, von wem das ist? ... Wer weiß es? ... Keine Ahnung? ... Es ist aus einem Gedicht von Walt Whitman über Mr. Abraham Lincoln. Also, Sie sprechen mich entweder mit Mr. Keating an – oder, wenn Sie etwas mutiger sind, sagen Sie ‚O Captain, mein Captain!’“

John Keating  (zu seinen Schülern in der ersten Unterrichtsstunde)

In den folgenden Abschnitten wird zunächst eine kurze inhaltliche Zusammenfassung des Films ‚Der Club der toten Dichter’ geliefert, gefolgt von weiteren Hintergrundinformationen zum Film und den diesbezüglichen Medien bzw. Materialien (Bücher zum Film). Abschließend erfolgt die Präsentation der Ergebnisse einer eingehenden Literaturrecherche bezüglich des Films. Diese Sekundärliteratur wird in Kurzform inhaltlich analysiert und systematisiert.

 

Inhaltliche Zusammenfassung des Films (2.1)

Der Film spielt im Jahr 1959. Handlungsschauplatz ist die Welton-Akademie, ein erzkonservatives Jungeninternat in den Bergen vom Vermont nahe der Ostküste der Vereinigten Staaten (vgl. Abb. 1). Als Vorbereitungsschule für Elite-Universitäten und mit einer einhundertjährigen Tradition lauten die Grundprinzipien dieser Institution: Tradition, Ehre, Disziplin und Leistung. Dieselben werden von den Schülern heimlich jedoch in Travestie, Ekel, Dekadenz und Lethargie übersetzt. Mit Beginn des neuen Schuljahres treten zwei - in dieser Institution neue - Charaktere auf: Lehrer John Keating (im Film gespielt von Robin Williams; vgl. Abb. 2) übernimmt als ehemaliger Absolvent der Welton-Akademie und Lehrer für Englisch an der Londoner Chester-Schule den Englischunterricht. Der neue Schüler Todd Anderson (im Film gespielt von Ethan Hawke; vgl. Abb. 3) soll an der Welton-Akademie in die Fußstapfen seines Bruders Jeffrey Anderson treten, einem überragenden Absolventen der Welton-Akademie und Jahrgangsbesten. Der Schulalltag der Schüler ist gekennzeichnet durch Faktenlernen, klassischen Frontalunterricht und wenig Freizeit (vgl. Abb. 4).

Abb. 1: Die Welton-Akademie
   

Abb. 2: Die Lehrer John Keating (rechts)
und McAllister (links) beim Mittagessen

Abb. 3: Ethan Hawke als Todd Anderson,
ein schüchterner Neuling in Welton

Abb. 4: Schulalltag in Welton
   

Abb. 5: Robert Sean Leonard als Neil
Perry

Abb. 6: Charlie Dalton, Knox Overstreet
und Steven Meeks (von links)

Abb. 7: Richard Cameron – ein „Opportu-
nist“?

Abb. 8: Keating (Robin Williams) - eher
„Performer“ als Lehrer?

Für die Schüler steht das Erlangen guter Beurteilungen im Vordergrund, um die hohen Erwartungen, die ihre Eltern in sie gesetzt haben, zu erfüllen. Rückhalt bietet den Schülern dabei nur die gegenseitige Hilfe unter den Schülern. Der schüchterne Todd Anderson wird zu Beginn sehr schnell durch seinen Zimmerkameraden Neil Perry (im Film gespielt von Robert Sean Leonard; vgl. Abb. 5) in eine derartige Lern- und Freundesgruppe integriert. Diese besteht aus recht unterschiedlichen Charakteren: Neben Neil, der unter seinem strengen Vater leidet, und Todd gehören zu dieser Gruppe die Schüler Charles Dalton (Charlie), Knox Overstreet, Steven Meeks (vgl. Abb. 6) und James Cameron (vgl. Abb. 7).

Schon bald wird klar, inwieweit sich der Lehrer Keating von seinen traditionsbewußten Kollegen unterscheidet: Er läßt sich von mutigen Schülern als „O Captain, mein Captain!“ ansprechen, rezitiert Gedichte als Kunst (vgl. Abb. 8), animiert die Schüler dazu, ein extrem wissenschaftliches Beurteilungskapitel zur Lyrik, nach dem sich der Wert von Gedichten mittels eines Koordinatensystems vermessen läßt, aus ihren Büchern herauszureißen (vgl. Abb. 9), ermutigt sie zu selbständigem Denken und hält ihnen in der Eingangshalle vor den Bildern ehemaliger Absolventen Vorträge über seine Lebens­einstellung: „Carpe diem! Nutze den Tag! Macht etwas außergewöhnliches aus Eurem Leben!“. Um den Schülern die Vorteile des Perspektivenwechsels zu verdeutlichen, läßt er sie einzeln auf das Pult des Lehrers steigen und somit den Klassenraum in einem anderen Blickwinkel betrachten (vgl. Abb. 10). Neil verinnerlicht diese Prinzipien stark und bringt in Erfahrung, daß Keating zu seiner Schulzeit Mitglied im ‚Club der toten Dichter’ war, einem Geheimbund, dessen Mitglieder sich in nächtlichen Sitzungen in einer Höhle fremde oder selbst geschriebene Gedichte vorlasen. Sie verstanden sich als Romantiker mit dem Ziel, „das Mark des Lebens in sich aufzusaugen“. Von Keating dazu ermuntert ruft Neil mit seinen Freunden den Club erneut ins Leben. Sie treffen sich in abenteuerlichen „Nacht- und Nebelsituationen“ in der besagten Höhle, zitieren Gedichte und geben sich Ausschweifungen wie Zigaretten und Alkohol hin (vgl. Abb. 11, 12). Keating scheint indessen in seinem Unterricht mit Hilfe seiner unkonventionellen Methoden, die vereinzelt schon an Manipulation und Psychoterror grenzen, das Unmögliche zu vollbringen: Es gelingt ihm, Todd von seiner Schüchternheit und emotionalen Hemmung zu befreien (vgl. Abb. 13). Die Bewunderung der Schüler (aber nicht aller!) für ihren Lehrer steigert sich immer mehr (vgl. Abb. 14).

Abb. 9: Neil reißt auf Keatings Anweisung
hin das einleitende Kapitel aus dem Buch 

 Abb. 10: Keating verdeutlicht das Einneh-
men einer anderen Perspektive

Abb. 11: Die Jungen bei Nacht auf dem
Weg zur Höhle der ‚toten Dichter’

Abb. 12: Poesie, Romantik und Tabak-
genuß beim Clubtreffen in der Höhle

Abb. 13: Keating erlöst Todd im Unterricht
von Ängsten und Selbstzweifeln

Abb. 14: Neil ist fasziniert von
Keatings Unterricht

Abb. 15: Keating wird von seinen Schü-
lern auf Händen getragen

Abb. 16: Charlie als Nuwanda mit aufge-
maltem Blitz als Fruchtbarkeitssymbol

Der Höhepunkt dieser Entwicklung kommt in einer Szene zum Ausdruck, in der die Schüler Keating - bei untergehender Sonne und mit Beethovens Musik zu „Freude schöner Götterfunken“ untermalt - auf Händen über den Sportplatz tragen (vgl. Abb. 15 sowie Titelbild).

Doch die Ereignisse steuern immer mehr auf eine fatale Wende hin: Neil entdeckt seine Liebe zum Theater und will gegen den Willen seines Vaters die Hauptrolle in einer Aufführung von Shakespeares Sommernachtstraum spielen. Knox verzehrt sich vor Liebe zu dem Mädchen Chris, die bereits mit dem eher rüpelhaften Chet Danburry verlobt ist. Es gelingt ihm erst zum Ende des Films hin, Chris für sich zu gewinnen. Charlie benennt sich bei einem Clubtreffen in „Nuwanda“ um (vgl. Abb. 16) und veröffentlicht im Namen des ‚Clubs der toten Dichter’ in der Schülerzeitung ‚Welton Honors’ einen Artikel, in dem gefordert wird, in Welton auch Mädchen aufzunehmen. Als Rektor Nolan (vgl. Abb. 17) die Schüler in der Kapelle zusammenruft und versucht, den für den Artikel Verantwortlichen zu finden, gibt sich Charlie als Verfasser mittels einer provokativen Inszenierung zu erkennen (vgl. Abb. 18) und wird von Nolan in dessen Büro gezüchtigt (vgl. Abb. 19).

Für Neil entwickelt sich jedoch seine Liebe zum Theater zum katastrophalen Dilemma: Als sein Vater (vgl. Abb. 20) erfährt, daß Neil für die Aufführung von Shakespeares Sommernachtstraum probt, untersagt er ihm in strengster Weise, an der Aufführung teilzunehmen. Als Neil trotz dieses Verbots an der Premierevorstellung teilnimmt (vgl. Abb. 21), holt ihn sein Vater nach Hause und kündigt an, ihn auf eine Militärakademie zu schicken. In seiner Verzweiflung begeht Neil Selbstmord (vgl. Abb. 22). Die Schulleitung reagiert auf Neils Selbstmord mit einer Untersuchung. Für Neils Tod wird letztendlich Keating verantwortlich gemacht. Die Mitglieder des nun bekannten ‚Clubs der toten Dichter’ werden genötigt, ein Keating belastendes Dokument zu unterschreiben. Charlie wird der Schule verwiesen, da er seine Unterschrift verweigert. Nachdem bereits Cameron die Namen der anderen Clubmitglieder verraten hat und Meeks sowie Knox diese Anklageschrift unterzeichnet haben, wird auch Todd von seinen Eltern zur Unterschrift gezwungen.

Abb. 17: Rektor Nolan auf der Suche
nach den Schuldigen in der Kapelle

Abb. 18: Charlies „Anruf von Gott“
für Rektor Nolan

Abb. 19: Rektor Nolans Antwort an Charlie:
Züchtigung mit dem Holzbrett

Abb. 20: Mr. Perry verbietet Neil die
Mitarbeit am Schuljahrbuch

Abb. 21: Neil als ‚Puck’ in Shakespeares Sommernachtstraum

Abb. 22: Neil begeht mit dem Revolver
seines Vaters Selbstmord

Abb. 23: Todd Abschiedsovation für
seinen „Captain“

Abb. 24: Die Hälfte der Schüler folgt
Todds Beispiel

In der Schlußszene betritt der von der Schulleitung entlassene Keating noch einmal das Klassenzimmer, um seine persönlichen Sachen zu holen. Rektor Nolan selbst hat den Unterricht in Englisch übernommen und lobt gerade das von Keating verhaßte Beurteilungskapitel zur Lyrik. Die Schüler sitzen ratlos und verlegen an ihren Tischen. Kurz bevor Keating den Raum verläßt, nimmt Todd all seinen Mut zusammen, steht auf und ruft Keating nach, man habe ihn zur Unterschrift gezwungen. Nach heftigen Einschüchterungsversuchen durch Rektor Nolan steht Todd auf, steigt auf sein Pult und ruft Keating an mit „O Captain, mein Captain!“ (vgl. Abb. 23). Trotz der Verwarnungen durch Rektor Nolan folgt fast die Hälfte der Klasse Todds Beispiel (vgl. Abb. 24). Der Film endet damit, daß sich Keating bei „seinen“ Jungen für diesen Vertrauensbeweis bedankt.

Kurze Filmanalyse (2.2)

Bevor im folgenden der Versuch einer kurzen Filmanalyse - oder eher „Filmbetrachtung“ - unternommen wird, sollen zunächst einige allgemeine Bemerkungen zu den Medien bezüglich des ‚Clubs der toten Dichter’ dieser Analyse vorangestellt werden: Der Film wird in dieser Hausarbeit aus folgendem Grund in seiner deutschen Synchronfassung für den Einsatz im UFP-Unterricht empfohlen: In der englischen Originalversion sind viele humorvolle Szenen für den deutschsprachigen Schüler schwerer zu verstehen als in der deutschen Synchronfassung des Films. Dies mag zum einen darauf zurückzuführen sein, daß man ohne englische Muttersprache ungenügend sensibilisiert ist für Nuancen im Sprachgebrauch, beispielsweise in den humorvollen bzw. satirischen Dialogen. Betrachtet man jedoch die Rolle des von Robin Williams gespielten Lehrers John Keating, läßt sich ein weiterer Faktor erahnen: Die gestisch und mimisch hervorragende Leistung von Robin Williams scheint durch die Sprechweise seines deutschen Synchronsprechers stark verfeinert zu werden, so daß einige Pointen erst richtig zur Wirkung kommen. Aus diesen Gründen sollte im UFP-Unterricht die deutsche Filmversion gezeigt werden, was nicht bedeutet, daß beispielsweise im Englischunterricht die Originalversion fehl am Platze wäre. Bei der Behandlung des Films mit Hilfe des Buches zum Film (Kleinbaum 1991) sollte Berücksichtigung finden, daß die Dialoge des Films nicht wortgetreu wiedergegeben werden, wodurch zum Teil die künstlerische Inszenierung des Themas in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Dies reicht von kleineren Verfälschungen wie dem Problem, Vokabeln ins Deutsche zu übersetzen („zahnschwitzender Verrückter“ im Film (vgl. 3.3) wird beispielsweise zu „Verrückter mit einem Kuchenzahn“), bis zu größeren inhaltlichen Abweichungen. Zum Beispiel wird erst im Buch deutlich, welchen Ursprung der Name ‚Club der toten Dichter’ besitzt. Keating erläutert dies im Buch zum Film wie folgt: „Der Name erinnerte nur daran, daß man erst Mitglied der Organisation werden konnte, wenn man tot war. [...] Die Lebenden waren nur Kandidaten. [...] Man mußte ein ganzes Leben lang Kandidat sein, bevor man die Vollmitgliedschaft erlangen konnte. Ja, leider bin ich auch erst ein ganz kleiner Kandidat!“ (Kleinbaum 1991, S. 48f). Zudem wurden im Buch zum Film die Gedichtauszüge des Films stark erweitert und im Wortlaut der Originalübersetzung angegeben. Der Unterschied zwischen der englischen Version des Buches zum Film und der deutschen Version desselben fällt dagegen kaum ins Gewicht. Im folgenden soll der Versuch unternommen werden, den Film einer formalen Analyse zu unterziehen, wobei an dieser Stelle aufgrund der Komplexität einer Filmanalyse und dem begrenzten Rahmen dieser Hausarbeit nur Ansatzpunkte aufgezeigt werden können.

Schreckenberg arbeitet in seiner medienpädagogischen Betrachtung des Films ‚Der Club der toten Dichter’ drei filmische Subtexte heraus, die „eine wichtige dramaturgische Funktion erfüllen: Sie akzentuieren und verstärken in der Tiefenstruktur auf nonverbale, sinnliche Art und Weise das filmische Geschehen an der Oberfläche des ‚Textes’“ (Schreckenberg 1997, S. 106). Versteht man einen Film als ein „nach bestimmten Regeln und Codes strukturiertes Zeichensystem“ (ebd., S. 100), liegen besagte Subtexte unterhalb dieser bewußt wahrnehmbaren Ebene: Mit „Subtexten sind diejenigen Ebenen eines offenen Textes gemeint, die der Zuschauer in der Regel nicht bewußt wahrnimmt, die aber dennoch seine Rezeption steuern“ (ebd., S. 101). Filmische Subtexte werden dabei geplant und intentional vom Regisseur eingesetzt und „entfalten ihre Bedeutung über Lichtführung, Position der Kamera, räumliche Perspektive, Farbgebung, Geräusche, Musik etc.“ (ebd.). Sie unterstützen beispielsweise im ‚Club der toten Dichter’ die Mehrdimensionalität, Plastizität und Sinnlichkeit des Films (vgl. ebd.). Eine Filmbetrachtung, in deren Zentrum die filmischen Subtexte stehen, läßt sich mit einfachen Mitteln (Videorecorder mit Standbildfunktion) und ohne eingehendere Vorkenntnisse, die man beispielsweise für eine wissenschaftliche Filmanalyse benötigt, durchführen, wodurch sie gerade für den Einsatz in der Schule von besonderem Interesse ist.

Bezüglich des Films ‚Der Club der toten Dichter’ erweist sich die exemplarische Betrachtung der drei Subtexte ‚Licht‘, ‚Natur‘ und ‚Raum‘ als besonders lohnenswert (vgl. ebd., S. 102 - 106):

Den Effekt des Subtextes ‚Raum‘ zeigt eine genaue Betrachtung der im Film eingebundenen Räumlichkeiten, Orte und Szenerien. Der Film spielt vorrangig in den Räumlichkeiten der Welton-Akademie, die durch enge Flure, Gänge und kleine Zimmer gekennzeichnet sind.

„Diese räumliche Enge passt zur hierarchischen und autoritären Struktur der Welton Academy, die im wahrsten Sinne des Wortes kaum jemandem Raum zur Entfaltung lässt“ (ebd., S. 105).

Ebenso wird die vertikale Wahrnehmungsachse vom Regisseur eingesetzt, um die dramaturgischen Effekte von Szenen zu verstärken, beispielsweise in den Szenen, in denen die Schüler auf ihre Pulte steigen.

Ein ähnlicher Unterstützungseffekt bezüglich des dramaturgischen Handlungsverlaufs läßt sich anhand der Subtexte ‚Licht‘ und ‚Natur‘ aufzeigen, wobei bezüglich beider Subtexte Änderungen im Verlauf des Films einsetzen. Als dramaturgischer Höhepunkt bzw. Wendepunkt läßt sich der Abend der Theaterpremiere identifizieren. In der folgenden Nacht begeht Neil aus Verzweiflung Selbstmord, wodurch die bis zu diesem Punkt eher harmonische Atmosphäre radikal in eine düstere und bedrohliche umschlägt. Bei der Betrachtung des Subtextes ‚Licht‘ läßt sich feststellen: Bis zu diesem Abend „herrscht warmes Licht vor, das die Strenge des Internatslebens mildert: Es ist ein Licht, das von Tischlampen und Stehlampen verbreitet wird“ (vgl. ebd., S. 102). Auch die Lichtverhältnisse in den Klassenzimmern sind nicht allein durch die künstliche Deckenbeleuchtung bestimmt, sondern werden durch das herbstliche Tageslicht ergänzt (vgl. Abb. 25). Bezüglich des Subtextes ‚Natur‘ dominieren bis zum Abend der Theaterpremiere die glühenden Farben des Herbstes (vgl. ebd., S. 104 sowie Abb. 26).

Der Wendepunkt im dramaturgischen Handlungsverlauf wird durch einen Wechsel bezüglich beider Subtexte stimmungsmäßig unterstützt: Am Abend der Theaterpremiere beginnt es zum ersten Mal zu schneien (Subtext ‚Natur‘), und am Morgen nach Neils Selbstmord bedeckt eine hohe Schneedecke das Land und verstärkt die düstere Atmosphäre (vgl. Abb. 27).

Abb. 25: Keatings erster Auftritt in der
Klasse (warme Farbtöne)

Abb. 26: Welton zu Filmbeginn im
Spätherbst

Abb. 27: Wintereinbruch am Morgen
nach Neils Tod

Abb. 28: Lichtverhältnisse im Klassen-
zimmer nach Neils Tod

Abb. 29: Keating an Neils Pult und
gramerfüllt wegen dessen Tod

Abb. 30: Neil trägt kurz vor seinem Selbst-
mord ein letztes Mal die Krone des ‚Puck’

Auch die Lichtverhältnisse in den Räumlichkeiten wurden geändert: Die Deckenbeleuchtung wurde nicht mehr eingesetzt, so daß das kalte bläuliche Winterlicht die Stimmung dominiert (vgl. Abb. 28), beispielsweise in der Szene, in der Keating im Klassenzimmer aufgrund von Neils Tod trauert (vgl. Abb. 29) bzw. in der Szene kurz vor Neils Selbstmord (vgl. Abb. 30).

Diese düstere Atmosphäre wird erst in der auftrumpfenden Schlußszene wieder durchbrochen, in der die wieder eingeschaltete Deckenbeleuchtung das dunkle Winterlicht erhellt (vgl. ebd., S. 104).

Abschließend läßt sich festhalten, daß, obwohl es im Rahmen dieser Hausarbeit nicht möglich ist, eine vollständige Filmanalyse des ‚Clubs der toten Dichter’ durchzuführen, die Analyse filmischer Subtexte als medienpädagogische Filmbetrachtung (sozusagen an der Oberfläche einer Filmanalyse) durchaus eine - auch für den Schulunterricht - geeignete Methode liefert, das Verständnis für den Film und die formale Komposition seiner einzelnen Elemente (wie bspw. der Subtexte) zu vertiefen. Sowohl im Schulunterricht wie auch im Rahmen dieser Hausarbeit ist jedoch eine gezielte Auswahl und exemplarische Behandlung einzelner Subtexte sowie Schlüsselszenen unvermeidbar.

 

Der Film in der pädagogischen Fachliteratur (2.3)

Da ein detaillierter Einbezug sämtlicher Sekundärliteratur zum Film ‚Der Club der toten Dichter’ den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde, soll in diesem Abschnitt ein kurzer, systematischer Überblick über die pädagogische Fachliteratur zum Film gegeben werden: Neben den bereits im vorhergehenden Abschnitt vorgestellten Büchern zum Film (vgl. Kleinbaum 1989, 1991) sind eine Reihe von Aufsätzen in pädagogischen Fachzeitschriften sowie Fachzeitschriften anderer Disziplinen erschienen. Zu unterscheiden sind dabei Artikel, deren Intention zunächst auf der Zusammenfassung und Vorstellung der Inhalte des Films basiert (bspw. Thal 1990) und Artikeln, die exemplarisch einen oder mehrere inhaltliche Bereiche einer tiefergehenden Analyse unterziehen (bspw. Heilker 1991). Nach umfangreicher Literaturrecherche konnten 5 deutschsprachige, 4 englischsprachige Artikel oder Aufsätze sowie zwei englischsprachige Abhandlungen im Internet gefunden werden. Die genauen Quellenangaben sind im Literaturverzeichnis unter Punkt 6 aufgeführt.

Formale Aspekte des Films werden nur in der medienpädagogischen Filmbetrachtung von Schreckenberg (1997) berücksichtigt (vgl. 2.2). Die Filmbetrachtung von Thal (1990) liefert einen inhaltlichen Überblick und vergleicht den Film mit anderen Filmen zum Thema ‚Schule’. Auch Koch (1990) beginnt mit einem Vergleich bezüglich anderer ‚Schulfilme‘, schließt daran jedoch eine pädagogische Interpretation einiger inhaltlicher Grundthemen des Films an, wie beispielsweise die pädagogische Bewertung der Unterrichtsmethoden Keatings, die auch ein Thema dieser Hausarbeit bilden (vgl. 3.3).

Heilman (1991) arbeitet in seinem Aufsatz besonders die Lehrerpersönlichkeit Keatings heraus und setzt diese ‚Keatings‘ als spezielle Lehrertypen von anderen Lehrertypen ab. Die Filmbetrachtung von Glatthorn (1990) liefert eine Zusammenfassung inhaltlicher Aspekte und Grundthemen, bleibt jedoch bei der pädagogischen Interpretation an der Oberfläche, ohne einzelne thematische Aspekte zu vertiefen. Nimmt man an dieser Stelle den vertiefenden Artikel von Heilker (1991) hinzu, zeigen diese drei Aufsätze (Glatthorn 1990, Heilker 1991 und Heilman 1991), daß bei der Auseinandersetzung mit dem Film im anglo-amerikanischen Sprachraum besonders ein Thema im Zentrum des Interesses steht: die Frage nach dem ‚guten Lehrer‘, bzw. durch welche Qualifikationen Lehrer Verhaltens- und Einstellungsänderungen bei ihren Schülern bewirken können. Heilker (1991) kritisiert in diesem Zusammenhang besonders die Wirkung extremer Dichotomien (wie bspw. zwischen Realismus und Romantik) in den Einstellungen der Lehrer (vgl. 3.4).

An dieser Stelle soll auf einen weiteren englischsprachigen Internet-Artikel hingewiesen werden, der, wenn auch von einer Schülerin verfaßt, interessante Anhaltspunkte zur Interpretation des Films liefern kann (vgl. Baker, o. J.). Ein Auszug aus dieser provokativen Interpretation („Why do I dislike this movie?“) soll in Abschnitt 4.4.5 in die Unterrichtseinheit zum Film einfließen.

Die letzten drei Artikel bilden systematisch gesehen eine neue Gruppe, da sie unter anderem auf den Einsatz des Films im Unterricht eingehen: Fried (1992) gibt diesbezüglich nur einige Hinweise zum Einsatz des Films im Unterricht. Serey (1992) setzt sich eingehender mit Einsatzmöglichkeiten des Films im Unterricht auseinander, jedoch unter dem Aspekte der ‚management education’. Abschließend ist noch ein Materialbrief mit Bausteinen für den Religionsunterricht zu nennen (vgl. Bosold 1991), der eine komplette Unterrichtseinheit zum Film ‚Der Club der toten Dichter’ für die Klassen 9 und 10 vorstellt. Inhaltliche Schwerpunkte wurden bei dieser Unterrichtseinheit nach den Richtlinien des Faches Religion ausgewählt. Dennoch kann diese Unterrichtseinheit Anregungen für den Einsatz des Films in anderen Fächern bieten.

Abschließend läßt sich herausstellen: Sekundärliteratur zum Film ‚Der Club der toten Dichter’ existiert zwar, setzt sich aber inhaltlich entweder mit der pädagogischen Diskussion einiger thematischer Aspekte oder dem Einsatz des Films im Unterricht auseinander. Koppelungen  beider Perspektiven sind nur in Ansätzen (vgl. Fried 1992) oder gar nicht vorhanden, ganz abgesehen von einem Zuschnitt auf das Unterrichtsfach Pädagogik in der gymnasialen Oberstufe. Der Versuch einer Kopplung von pädagogischer Interpretation der Filminhalte und dem Aufzeigen von Einsatzmöglichkeiten des Films im Pädagogikunterricht wurde daher zum Ziel dieser Hausarbeit gewählt.



‘Der Club der toten Dichter’ aus pädagogischer Sicht (3)

 

Traditionelle Eröffnungsbotschaft des

‚Clubs der toten Dichter’

Ich ging in die Wälder, denn ich wollte wohlüberlegt leben,

intensiv leben wollte ich, das Mark des Lebens in mich aufsaugen,

um alles auszurotten, was nicht Leben war,

damit ich nicht in der Todesstunde innewürde,

daß ich gar nicht gelebt hatte.

Henry David Thoreau     (gekürzt, aus: ‚Excerpt from Walden’)

 In diesem Abschnitt soll der Film ‚Der Club der toten Dichter’ aus pädagogischem Blickwinkel inhaltlich analysiert werden. Dazu werden vier inhaltliche Themen herausgegriffen und in den folgenden vier Abschnitten exemplarisch betrachtet. Abschließend liefert Abschnitt 3.5 ein kurzes Zwischenfazit, in dem die inhaltlichen Themen unter dem Aspekt der pädagogischen Verantwortung zusammengeführt werden.

 

Der Lehrer im Spannungsfeld zwischen Institution, Schülern und Eltern
oder: Die Frage nach der ‚Schuld’ an Neils Selbstmord (3.1)

In diesem Abschnitt sollen zwei zentrale Fragen eingehend behandelt werden: Zum einen: Wie ist es zu Neils Selbstmord gekommen und welche Faktoren können diesbezüglich identifiziert werden? Zum zweiten: Wer trägt letztendlich die Verantwortung für Neils Selbstmord?

Um diese Fragen zu beantworten, soll zunächst das Spannungsfeld, in dem Neil sich befindet, genau betrachtet werden: Dieses wird zum einen durch seine Liebe zum Theater (in bezug auf seine eigenen Wünsche) sowie durch das Anstreben eines sehr guten Schulabschlusses und anschließendes Medizinstudium (in bezug auf die Wünsche seines Vaters) charakterisiert. Diese beiden unterschiedlichen Wünsche sind miteinander nicht vereinbar und haben somit ein grundsätzliches Dilemma für Neil zur Folge, da dieser die Situation nicht entschärfen kann, indem er beispielsweise seine Gefühle vor seinem autoritären Vater zum Ausdruck bringt. Der Handlungsverlauf, durch den Neil in diese Zwickmühle gerät, ist folgendermaßen charakterisiert: Sowohl Neil als auch sein Vater sind autoritär erzogen worden. Neil gibt seinem Vater in allen Konfliktsituationen nach und versucht, seine Enttäuschungen innerlich zu verarbeiten. Mit dem Auftreten von Keating und der schrittweisen Internalisierung dessen romantischer Lebensphilosophie entsteht für Neil ein zunehmendes Spannungsverhältnis zwischen der augenblicklichen Situation und seinen eigenen Wünschen. Diese Situation wird durch folgende Schritte verschärft: Zunächst fälscht Neil eine Erlaubniserklärung seines Vaters, um die Rolle des ‚Puck’ überhaupt zu bekommen. Als sein Vater erfährt, daß Neil mit dem Theaterspielen begonnen hat, verbietet er Neil dasselbe in drastischer Weise. Neil nimmt trotzdem weiter an den Proben Teil. Mit der herannahenden Premierevorstellung rückt der Konflikt mit seinem Vater immer näher, bis er schließlich unausweichlich wird. Einen Abend vor der Theaterpremiere sucht Neil daher Rat bei Keating. Der Dialog zwischen beiden wird im folgenden näher analysiert:  

Text 1
Keating: (in seinem Arbeitszimmer) „Was gibt`s?“
Neil: „Ich habe eben mit meinem Vater gesprochen. Er hat mir das Theaterspielen untersagt. ... Aber das Theater bedeutet mir alles! ... Ich mein` ... aber er ... er weiß es nicht. Na ja, ich kann seinen Standpunkt gut verstehen. Wir sind nicht so reich wie Charlies Eltern, aber mein Vater ... verplant mein ganzes Leben und ich ... Er ... er hat mich nie gefragt, was ich will!“
Keating: „Haben Sie das Ihrem Vater auch so gesagt wie mir? Ich meine, was Ihre Leidenschaft für`s Theater betrifft. Haben Sie ihm das klargemacht?“
Neil: „Ich kann`s nicht!“
Keating: „Warum nicht?“
Neil: „Weil ich so mit ihm nicht sprechen kann!“
Keating: „Dann spielen Sie ihm was vor! Sie spielen vor ihm die Rolle des gehorsamen Sohnes. Ich weiß, das klingt unmöglich, aber Sie müssen mit ihm reden! Sie müssen ihm zeigen, wer Sie sind und woran Ihr Herz hängt.“
Neil: „Ich weiß, was er sagt. Die Schauspielerei ist`ne vorübergehende Laune, die ich vergessen soll.“ (den Tränen nahe) „Sie rechnen mit mir. Zu meinem eigenen Besten soll ich`s mir aus dem Kopf schlagen.“
Keating: „Neil, Sie sind doch kein Leibeigener Ihrer Eltern! Und daß es keine Laune ist, können Sie Ihrem Vater beweisen, indem Sie ihn überzeugen und begeistern! Machen Sie`s ihm klar! Und wenn er`s dann immer noch nicht glauben will – nun ja -, bis dahin sind Sie mit der Schule fertig und können tun, was Sie wollen!“
Neil: (schluchzt) „Und was wird aus dem Stück? Morgen abend ist Premiere!“
Keating: „Dann werden Sie vorher noch mit ihm reden müssen!“
Neil: (weint) „Äh ... Gibt es keinen leichteren Weg?“
Keating: „Nein!“
Neil: „Ich sitz` in der Falle!“
Keating:  „Nein, bestimmt nicht!“
Keating: (am folgenden Tag nach der Unterrichtsstunde) „Haben Sie Ihren Vater gesprochen?“
Neil: (freudig) „Ja ... gefallen hat`s ihm nicht, aber wenigstens läßt er mich mitspielen. Er ... er wird zwar nicht kommen können, denn er ist in Chicago, aber ich denke, er läßt mich weiterspielen!“
Keating: „Wirklich? ... Haben Sie ihm dasselbe wie mir gesagt?“
Neil: (lächelnd) „Ja! ... Glücklich war er zwar nicht, aber er ist für wenigstens vier Tage weg.“ (flüstert) „Ich glaube nicht, daß er sich die Aufführung ansieht, aber ... er läßt mich sicher weitermachen. ... Die Schule hat Vorrang!“ (den Tränen nah) „Danke!“ (geht hinaus; Keating bleibt nachdenklich zurück)

Im Gegensatz zu seinem Vater kann Neil Keating seine Gefühle mitteilen. Keating analysiert und durchschaut das Verhalten von Neil und seinem Vater („Dann spielen sie ihm was vor! Sie spielen vor ihm die Rolle des gehorsamen Sohnes.“). Keating versucht, Neil Hoffnung zu machen („Nun ja, bis dahin sind Sie mit der Schule fertig.“), verdeutlicht ihm jedoch, daß er das Gespräch mit seinen Eltern suchen muß (vgl. Text 1).

Im zweiten Teil des unter Text 1 wiedergegebenen Gesprächs belügt Neil seinen Lehrer Keating am darauffolgenden Tag, indem er ihm erklärt, er habe mit seinem Vater gesprochen und dieser ließe ihn weiterspielen. Keating ahnt diese Lüge zumindest, was daran deutlich wird, daß der mit ungläubigem Tonfall ein „Wirklich?“ murmelt; er geht jedoch im Gespräch nicht weiter auf diese vermeintliche Lüge ein. In der nachträglichen Beurteilung von Keatings Lehrerverhalten kann ihm an dieser Stelle ein grober Fehler nachgewiesen werden. Hätte Keating an dieser Stelle interveniert, wäre die Katastrophe und somit Neils Selbstmord unter Umständen vermeidbar gewesen.

Zur Klärung der Frage nach der pädagogischen Verantwortung an Neils Tod sind daher zumindest folgende drei Faktoren zu berücksichtigen:

·        Die Selbsttötung war letztendlich Neils eigene Entscheidung auf Grund einer für ihn unerträglichen Situation. Seine Angst, auf eine Militärakademie geschickt zu werden, sowie die Enttäuschung über das schnelle Ende seiner Theaterkarriere führten bei Neil zu Panik und schließlich zur Kurzschlußhandlung der Selbsttötung.

·        Eine Teilschuld liegt in jedem Falle bei Neils Vater. Sein autoritäres Verhalten und der Druck, Neil auf eine Militärakademie zu schicken, sind der Auslöser für Neils Selbstmord.

·        Eine weitere Teilschuld liegt jedoch auch bei Keating, da Intervention von seiner Seite aus möglich gewesen wäre (s. o.). Zudem ist zu berücksichtigen: Wäre Keating nicht nach Welton gekommen, hätte Neil niemals die Chance erhalten bzw. wäre Neil niemals in die Situation geraten, dessen romantische Ideen zu verinnerlichen. Die sich daran anschließende Frage, ob sein ‚innerer Druck’ auf Grund des oben beschriebenen Spannungsverhältnisses dennoch irgendwann so groß geworden wäre, daß eine Katastrophe unvermeidbar geworden wäre, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.

Abschließend sind zwei weiterführende Fragen kurz anzusprechen; zum einen: In welcher Art und Weise wird Keatings Lehrerrolle durch sein Verhalten in die dieser Situation charakterisiert? Keating befindet sich ebenfalls in einem Spannungsverhältnis: Er versucht, den Anforderungen der Institution Schule (Vermittlung von Unterrichtsinhalten), seinen Schülern (eigener Anspruch, diese zu individuellen Persönlichkeiten zu erziehen) sowie den Ansprüchen der Eltern (Erfüllung der Rahmenbedingungen von Schule, gute Noten, gute Abschlüsse) gerecht zu werden, konzentriert sich schwerpunktmäßig jedoch auf seine Schüler. Er versucht, diesen seine romantischen Lebens­ideale zu lehren, ohne zu berücksichtigen, daß dieselben in Konflikt mit den institutionellen Rahmenanforderungen geraten können.

Zum anderen ist zu fragen, ob die Weitergabe seiner romantischen Lebensideale seitens Keatings nur bei Neil in eine Katastrophe mündet? Wäre diese Frage zu bejahen, könnte der Selbstmord Neils als Einzelfall gewertet werden. Die Internalisierung von Keatings romantischen Lebensideale zeigt jedoch auch bei anderen Schülern katastrophale Auswirkungen, was sich beispielsweise daran zeigt, daß Charlie einen Schulverweis riskiert (eine eingehende Betrachtung dieses Problemzusammenhangs erfolgt in Abschnitt 3.4).

Die Diskussion dieser drei Faktoren sowie der Einfluß der Lebensphilosophie Keatings macht deutlich: Die Frage nach der Schuld an Neils Selbstmord kann nicht endgültig geklärt wären, liefert jedoch Anregungen und Ansatzpunkte für Diskussion - beispielsweise im UFP-Unterricht.

Das Schüler-Lehrer-Verhältnis
oder: Balanceakt zwischen Nähe und Distanz (3.2)

Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die sich in ihrem Unterricht schwerpunktmäßig auf die Aufgabe des Unterrichtens als Vermittlung von Inhalten beschränken und somit die Anforderungen der Welton-Institution voll erfüllen, versucht der neue Englischlehrer John Keating den Schülern seine auf Romantik und dem Wahlspruch ‚Carpe diem!’ basierende Lebensphilosophie zu vermitteln. Aus heutiger Sicht und der Perspektive des deutschen Bildungswesens läßt sich Keating als Lehrer betrachten, der viele der Aufgabenbereiche abdeckt, die vom Deutschen Bildungsrat 1970 benannt wurden (vgl. Deutscher Bildungsrat 1970, S. 217 - 220). Keating versucht, seine Schüler zu Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung sowie Emanzipation zu erziehen, Neil bei seinen Problemen mit seinem Vater zu unterstützen (Beratungsfunktion) sowie beispielsweise im Gespräch mit dem Lehrer McAllister seine Ideen weiterzugeben (vgl. 3.4). Sein Repertoire an neuen innovativen Unterrichtsmethoden (Innovationsfunktion) scheint unerschöpflich (vgl. 3.3). In welcher Weise Keating in seinem Unterricht auch den Funktionen des Unterrichtens und Beurteilens nachkommt, läßt sich an dieser Stelle nicht weiter analysieren, da es im Film kaum eine Szene gibt, in der Keating Lerninhalte vermittelt oder Noten verteilt. Es läßt sich jedoch zusammenfassen, daß Keating die Anforderungen eines Lehrers nach den heutigen Maßstäbe erfüllt.

Die Erwartungen der Welton-Institution in den sechziger Jahren des amerikanischen Bildungswesens beschränken sich im Film jedoch auf die Vermittlung von Unterrichtsinhalten mit dem Ziel, die Schüler auf dem Besuch von Elite-Universitäten vorzubereiten. Es überrascht daher nicht, daß Keating sowie seine Schüler mit diesen institutionellen Erwartungen immer mehr in Konflikt geraten. Dieser Rollenkonflikt auf Seiten des Lehrers und der Schüler mündet zudem in problematische Situationen zwischen denselben: Da Keating besonders das Erziehen und Beraten in den Vordergrund stellt und zudem im Vergleich zu seinen Kollegen einen weniger autoritären Erziehungsstil benutzt, entwickelt sich zwischen Keating und seinen Schülern schnell ein Schüler-Lehrer-Verhältnis, das von Freundschaft und gegenseitiger Anerkennung bestimmt ist. Bei einigen Schülern, die Keatings Lebensphilosophie besonders stark internalisieren, wie beispielsweise die Mitglieder des ‚Clubs der toten Dichter’, führt dies schnell zu Bewunderung und Verehrung. Diese gipfelt in einer Szene, in der Keating beim Sportunterricht von einigen seiner Schüler auf Händen getragen wird. Im Film wird diese Szene mit Beethovens Musik ‚Ode an die Freude’ („Freude schöner Götterfunken „) untermalt.

Betrachtet man die Schüler-Lehrer-Beziehung unter dem Aspekt des pädagogischen Bezugs, läßt sich feststellen, daß Schüler-Lehrer-Beziehungen in einem Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz anzusiedeln sind. Problematisch sind in diesem Zusammenhang extreme Ausdrucksformen bezüglich dieses Spannungsfeldes, die besonders im ‚Club der toten Dichter’ auftauchen: Die Schüler-Lehrer-Beziehungen zwischen den Schülern und den Lehrern der Welton-Akademie (mit Ausnahme von Keating) sind durch große Distanz gekennzeichnet. Unterricht wird beschränkt auf Wissensvermittlung. Erziehung beschränkt sich auf Ermahnungen und Anweisungen. Die Beziehung zwischen Keating und seinen Schülern ist jedoch geprägt von gegenseitiger Achtung, Anerkennung und „Liebe“, somit von „extremer“ Nähe im Vergleich zu den übrigen Lehrern. Dies kommt besonders in der Szene zum Ausdruck, in der Keating Todd von seinen Selbstzweifeln befreit (diese Szene wird im folgenden Abschnitt 3.3 eingehend analysiert): Keating berührt Todd mehrmals an Hals und Nacken, hält ihm die Augen zu und dreht ihn im Kreis. Er fiebert regelrecht mit bei den kleinsten Lernschritten seiner Schüler. Unter filmanalytischer Perspektive wird jedoch auch die Grenze der Dokumentation dieser Schüler-Lehrer-Beziehung durch den Film deutlich, wenn man beispielsweise versucht,

„den Einfluss der Produktionsfirma Touchstone, einer Tochter des Disney-Konzerns, auf den Film deutlich zu machen: Es ist kein Zufall, dass der Film sich peinlich genau bemüht, jeden auch nur vagen Anschein einer homoerotischen Komponente im Verhältnis von John Keating zu seinen ihn anhimmelnden Schülern gar nicht erst aufkommen zu lassen“ (Schreckenberg 1997, S. 108).

Ungeachtet dessen, wie tiefgehend die Beziehung zwischen Schülern und Lehrer in diesem Zusammenhang wirklich ausfällt, bleibt aus pädagogischer Sicht herauszustellen, daß die Beziehung zwischen Keating und manchen seiner Schüler von derart extremer Nähe und Bewunderung geprägt ist, daß Konflikte vorprogrammiert werden: Die emotionale Nähe zwischen Keating und den Mitgliedern des ‚Clubs der toten Dichter’ führt zu unhinterfragter Internalisierung von Keatings Lebensphilosophie und somit zu den im vorigen Abschnitt dargestellten Folgen.

Desweiteren können Lehrer nicht einfach nur gute Freunde der Schüler sein. Spätestens bei der Notenvergabe hat der Lehrer eine objektive Betrachtungsposition einzunehmen, ungeachtet emotionaler Beziehungsaspekte. Die Vermeidung diesbezüglicher Problemkonstellationen zur Herstellung eines extrem emotionalisierten Schüler-Lehrer-Verhältnisses kann ein Grund dafür sein, daß Keating im Film niemals bei der Aufgabe des Beurteilens dargestellt wird.



Keatings Unterrichtsmethoden
oder: Zwischen Erziehung zur Selbstverwirklichung und Manipulation (3.3)

Bevor in diesem Abschnitt Keatings Unterrichtsmethoden analysiert werden, sollen diese zunächst kurz beschrieben werden:

Schon Keatings erster Auftritt vor der Klasse ist ungewöhnlich: Er lugt aus seinem Vorbereitungsraum hinaus (vgl. Abb. 31), bemerkt, daß die Jungen Platz genommen haben und schlendert durch die Reihen in Richtung Ausgang.

Abb. 31: Keating kurz vor seinem ersten Unterrichtsauftritt

Dabei pfeift er die ersten Töne aus Tschaikowskys 1812 Ouvertüre - ein Sinnbild für seine romantische Einstellung. Die Jungen folgen ihm in die Eingangshalle. Mit einem Wechselspiel zwischen Witz und tiefgründigen Bemerkungen fordert er sie auf, sich alte Jahrgangsphotos anzusehen und führt sie in seine Lebensphilosophie ein: „Carpe diem! Nutze den Tag! Macht etwas Außergewöhnliches aus Eurem Leben, da es vergänglich ist!“ In dieser wie auch in anderen Szenen, in denen Keating beispielsweise Shakespeare in der Tonlage und mit der Mimik von John Wayne rezitiert, wird deutlich: Keating sieht sich weniger als Lehrer, sondern eher als Akteur, Romantiker und Philosoph. Der englische Begriff ‚performer’ dürfte seiner Rollendarstellung am ehesten gerecht werden. Unterstützt wird diese Rolle durch die vortreffliche Ausgestaltung derselben durch Robin Williams, durch dessen schauspielerisches Talent die Person des Lehrers Keating sehr authentisch wirkt.

Keating scheint wenig von traditionellen Unterrichtsformen wie beispielsweise dem Frontalunterricht zu halten. Er verlegt den Schauplatz seiner Unterrichtsstunden immer wieder ins Freie, beispielsweise auf den Sportplatz oder in den Innenhof der Akademie.

Um seinen Schülern Konfliktfähigkeit beizubringen und um vor zu starker Wissenschaftsgläubigkeit zu warnen, läßt er sie ein Einleitungskapitel zur Beurteilung lyrischer Qualität mit Hilfe eines Koordinatensystems aus den Schulbüchern herausreißen, was von den Schülern zunächst zweifelnd, später unter Beifall und Gejohle aufgenommen wird.

Auf dem Innenhof läßt er die Schüler im Gleichschritt marschieren, um auf die Gefahr der Konformität aufmerksam zu machen. Diese Szene erinnert stark an Formen des militärischen Drills. Er läßt sie auf das Lehrerpult steigen, um ihnen zu zeigen, daß man die Dinge aus verschiedenen Perspektiven betrachten kann und verdeutlicht somit den Wert der Perspektiverweiterung. Auf den Sportplatz läßt er sie zu klassischer Musik Verse aufsagen sowie Torschüsse ausführen und zeigt somit durch die Verbindung von Sport, Lyrik und Musik Möglichkeiten ganzheitlichen Unterrichts auf.

So pädagogisch wertvoll und interessant diese Methoden auch zunächst erscheinen mögen, erwecken einige dieser Szenen beim Zuschauer jedoch den Eindruck der Indoktrination und Manipulation, zumal Keating als Lehrer wenig in Zusammenarbeit mit den Schülern entwickelt, sondern versucht, seine Lebensphilosophie, die natürlich nicht kritisch von ihm hinterfragt wird, als Vorbild an seine Schüler weiterzugeben.

Es gibt eine Filmszene, die in diesem Zusammenhang besondere Beachtung verdient, da Keatings Unterrichtsmethoden in derselben eine extreme Form annehmen. Diese Szene wurde im folgenden transkribiert: 

Text 2
Keating: „Und nun, wer ist der nächste? Mr. Anderson!“ (Todd schaut verzweifelt hinauf zu Keating) „Sie scheinen in Agonie verfallen zu sein. Kommen Sie, Todd, treten Sie vor! Erlösen wir Sie von Ihrem Leid!“
Todd: (flüstert) „Es geht nicht. Ich hab’ kein Gedicht geschrieben.“
Keating:

„Mr. Anderson hält sich und sein gesamtes Innenleben für wertlos und beschämend. Hab’ ich recht, Todd? Das ist doch Ihre größte Angst! Sie irren sich, glaube ich. Ich glaube, in Ihnen schlummern eine Menge Werte.“

(schreibt an die Tafel) „Ich – höre – mein – barbarisches – YAWP – über den Dächern – der Welt – erschallen – W.W. (Walt Whitman, Anm. ML).“

„Schon wieder mal Onkel Walt. Nun, für alle, die es nicht wissen, ein YAWP ist ein sehr lauter Ruf oder Schrei. Also, Todd, demonstrieren Sie uns jetzt mal, wie das klingt, so ein barbarischer Yawp.“ (Gekicher aus der Klasse) „Kommen Sie, stehen Sie auf, im Sitzen geht das nicht! Na, kommen Sie. Hopp! Nehmen Sie Yawp-Stellung ein!“ (Gelächter)

Todd:

  „Ein ... ein Yawp?“

Abb. 32: Walt Whitman

Keating:

„Nein, nicht irgendein Yawp. Ein barbarischer YAWP!“

Todd:

  „O.K. ... Yawp.“

Keating:

„Na machen Sie schon! Lauter!“

Todd:

  „Yawp!“

Keating:

„Das war das Piepsen einer Maus! Na los, lauter!“

Todd:

  „YAWP.“

Keating:

(geht auf Todd zu) „Herrgott, Junge, schrei mich doch an!!!“
Todd: „YAWP!!!“
Keating: „Na also, es steckt also doch ein Barbar in Ihnen.“ (Todd will wieder zu seinem Platz gehen) „Nicht doch! So schnell entlass’ ich Sie nicht!“ (Keating hält Todd an der Schulter) „Dieses Photo von Onkel Walt da oben, an wen erinnert es Sie? Nicht denken, antworten!“
Todd: „An einen Verrückten, würd’ ich sagen.“
Keating: (umkreist Todd) „Was für einen Verrückten? Nicht denken, nur antworten!“
Todd: „An einen wahnsinnigen Verrückten.“
Keating: „Aaach! Das können Sie doch besser!“ (überschlägt sich fast im Reden) „Lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf! Setzen Sie Ihre Phantasie ein! Sagen Sie das erstbeste, was Ihnen einfällt! Selbst wenn es Quatsch ist!“
Todd: „Es ist ein ... zahnschwitzender Verrückter!“
Keating: „Gütiger Himmel! In Ihnen steckt ja doch ein Poet!“ ... (flüsternd) „Schließen Sie die Augen! Schließen Sie die Augen! Zumachen!“ (hält Todd mit einer Hand die Augen zu und dreht sich mit ihm im Kreis) „Und jetzt, beschreiben Sie, was Sie sehen!“ 
Todd: „Ich hab’ meine Augen geschlossen. Sein ... sein Bild treibt auf mich zu.“
Keating: „Ein zahnschwitzender Verrückter, nicht?“
Todd: „Ein zahnschwitzender Verrückter, mit einem Blick, der mein Gehirn durchbrennt.“
Keating: „Oh, das ist gut! Hauchen Sie ihm Leben ein! Lassen Sie ihn was machen!“
Todd: „Seine Hände greifen und würgen mich.“
Keating: (hört auf, Todd zu drehen und hält ihn am Revers seines Blazers) „Ja, gut so! Fabelhaft! Fabelhaft!“
Todd: „Denn er murmelte irgendwas.“
Keating: „Was murmelt er?“
Todd:  „Er murmelt Wahrheit.“
Keating: „Jaaa!“
Todd: „Die Wahrheit ist wie ... wie ... wie eine Decke, bei der man immer kalte Füße bekommt.“ (Gelächter)
Keating: „Nicht d‘rum kümmern. Bleib’ bei der Decke. Erzähl’ mir was von der Decke!“
Todd: „Sie ... sie ... sie ist immer zu kurz, egal wie sehr man sie zieht ...“
Keating: „Weiter!“ (Keating kniet fasziniert vor Todd und verschränkt die Arme vor seiner Brust)
Todd: (selbstsicher) „Egal, was du tust, du kannst dich nie ganz mit ihr zudecken und vom Schrei bei der Geburt bis hin zu deinem Tod bedeckt sie nur dein Angesicht, so sehr du auch weinst und schreist in deiner Not.“ (Stille; Keating und Neil schauen begeistert zu Todd; Schüler applaudieren laut)
Keating: (berührt Todd erneut am Nacken) „Vergessen Sie das nicht!“

Keating versucht in dieser Szene, den schüchternen Todd Anderson von seinen Selbstzweifeln zu befreien. Durch die Aufforderung zu einem „barbarischen YAWP“ bringt er Todd zunächst dazu, Gefühle zu zeigen und herauszulassen, wählt dazu jedoch Methoden, die fast schon als „Psychoterror“ bezeichnet werden können. Anschließend erreicht er in kleinen Schritten, daß Todd seine Gedanken artikuliert und am Ende frei dichtet. Zur Vorgehensweise Keatings in dieser Situation ist zunächst anzumerken: In heutiger Sicht könnten einige der von Keating geäußerten Bemerkungen auf Schüler alles andere als selbstwertsteigernd, sondern  eher zynisch und kränkend wirken (z. B. „Erlösen wir Sie von Ihrem Leid.“/ „Mr. Anderson hält sich und sein gesamtes Innenleben für wertlos und beschämend.“), zumal Todd in dieser Szene vor der gesamten Klasse - wenn auch mit emanzipatorischer Absicht von seiten Keatings - bloßgestellt wird.

Abb. 33: Keating gratuliert Todd
zu seinem „Durchbruch“

Zum zweiten hält Keating in dieser Szene an mehreren Stellen keine angemessene Distanz mehr zu seinen Schülern ein (vgl. Abb. 33), besonders an der Stelle, an der er ihm die Augen zuhält und ihn im Kreis dreht (vgl. Abb. 13). Auch wenn dieses Lehrerverhalten dem Zweck dient, Todds Konzentration zu verstärken und ihn vor Ablenkung durch seine Klassenkameraden zu schützen, wird von Keating hier eine angemessene Schwelle zwischen Nähe und Distanz durchbrochen. Das Resultat am Ende der Szene ist sehenswert: Todd hat endlich den „Durchbruch“ geschafft, Keating zeigt tiefste Ergriffenheit (vgl. Abb. 34) und Neil ist fasziniert und freut sich für seinen Zimmergefährten Todd (vgl. Abb. 35).

Abb. 34: Keating ist zutiefst ergriffen
von Todds „Durchbruch“

Abb. 35: Neil ist fasziniert von Keatings
Erfolg in bezug auf Todd

Wie läßt sich diese Szene nun in das Bild von Keatings Unterrichtsmethoden einfügen und pädagogisch bewerten? Wenn auch der Erfolg Keating hier im Film Recht gibt, sollte dennoch bedacht werden, welche Konsequenzen sich für Todd ergeben hätten, wenn Keating an dieser Stelle gescheitert wäre: Todd wäre bloßgestellt worden (ohne „Happy End“) und seine Verzweiflung hätte sich wahrscheinlich deutlich verstärkt!

Es läßt sich somit herausstellen: Wie interessant und innovativ Keatings Unterrichtsmethoden auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, pädagogisch betrachtet können sie zumindest erhebliche Gefahren, wie die des Scheiterns, mit Konsequenzen wie Ausgrenzung und Vereinzelung für die Schüler mit sich bringen. Inwieweit diese Gefahren von Keating im Vorfeld mitbedacht wurden, wird verständlicherweise im Film nicht thematisiert: Es hätte dieser Szene ihre überraschende Wende und ihre emotionale Besetzung genommen.

Lehrerselbstverständnis kontra Lehrplan
oder: Unterrichtsziele zwischen Realismus und Romantik
(3.4)

 

 

Im Wald zwei Wege boten sich mir dar,

und ich ging den, der weniger betreten war,

und das veränderte mein Leben.

Robert Frost (gekürzt, aus: ‚The Road Less Travelled’)

Wie bereits oben erläutert, versucht Keating, den Schülern seine Lebensphilosophie näherzubringen. Diese ist geprägt von Romantik, Entscheidungsfreiheit und Emanzipation; Keating gerät durch sie jedoch zunehmend in Konflikt mit den Zielen und Erziehungsidealen des konservativen Welton-Internates. Die Unterschiede in den Auffassungen der einzelnen Lehrer wird beispielsweise im folgenden humorvollen Gespräch zwischen Keating (Romantiker) und dem er traditionell eingestellten Lateinlehrer McAllister (Realist) deutlich: 

Text 3
McAllister: „Das war ein sehr interessanter Unterricht, den Sie heute gegeben haben!“
Keating:  „Entschuldigung, wenn ich Sie schockiert habe.“
McAllister: „Oh, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Es war überaus faszinierend, wenn auch etwas fehl am Platz.“
Keating: „Finden Sie?“
Mc Allister: „Ich finde es sehr riskant, diese Jungs zu ermutigen, Künstler zu werden, John, denn wenn sie feststellen, daß sie keine Rembrandts, Shakespeares oder Mozarts sind, werden sie Sie verachten.“
Keating: „Es geht nicht um Künstler, George. Wir reden über Freidenker.“
McAllister: (amüsiert) Hmhmhm! Siebzehnjährige Freidenker! Hmhmhm!“
Keating: „Komisch! Ich hätt’ Sie nicht für einen Zyniker gehalten!“
McAllister: „Das bin ich auch nicht! Ich bin Realist! ‚Zeig’ mir ein Herz, das frei ist von törichten Träumen, und ich zeig’ Dir einen zufriedenen Menschen.“
Keating: „Doch nur im Traum Du wirklich frei noch bist. So war es stets, und auch die Zukunft noch so ist!“
McAllister: „Tennessen?“
Keating: „Nein, Keating!“ (grinst und zwinkert mit einem Auge)
McAllister:  (lacht)

Bei einigen Schülern führt die Internalisierung Keatings emanzipatorischer Werte (romantische Komponente) in der erzkonservativen Welton-Akademie (realistische Komponente) zu katastrophalen Entwicklungen. Beispiele dafür sind Charlies Ausbruch in der Kapelle und letztendlich auch Neils Selbstmord. Charlies Ausbruch soll an dieser Stelle genauer analysiert werden: Charlie schreibt im Namen des ‚Clubs der toten Dichter‘ einen Artikel in der Schülerzeitung mit der Forderung, Mädchen in Welton aufzunehmen. Die Schulleitung dieser konservativen Schule sieht in Charlies Verhalten und Ideen jedoch keinen konstruktiven Beitrag zur koedukativen Debatte, sondern eine Provokation sondergleichen. Dies war Charlie natürlich im Vorfeld klar, aber anstatt sich ruhig zu verhalten, folgt er der Lebenseinstellung bzw. dem Motto ‚Carpe diem!’ und gibt sich zu erkennen, als Rektor Nolan in der Kapelle die Schuldigen bei einer Versammlung sucht:

 Text 4
Nolan: (hat die Schülerschaft in der Kapelle der Welton-Academy zusammengerufen) „Setzen! ... In der Wochenausgabe von Welton-Honors ist ein profaner und nicht-genehmigter Artikel erschienen. Um meine kostbare Zeit nicht unnötig mit der Suche nach den Schuldigen zu verschwenden – und Sie können sicher sein, daß ich sie finden werde -, bitte ich jeden Schüler, der etwas über diesen Artikel weiß, sich hier und jetzt zu melden. Ganz gleich, wer die Schuldigen sind, dies ist ihre einzige Chance, einen Verweis von der Schule zu vermeiden!“ (ein Telefon klingelt mehrmals)
Charlie: (zieht Telefon hervor und nimmt ab) „Welton-Academy, hallo? ... Ja, er ist da. Augenblick, bitte. ... Mr. Nolan, es ist für Sie! Es ist Gott! Wir sollen Mädchen aufnehmen bei uns!“ (Gelächter der Schüler)

Charlie wählt dabei eine dermaßen provokative Art mit dem Versuch, die Schulleitung bloßzustellen, daß er von Nolan als Konsequenz mit einem Holzbrett gezüchtigt wird. Nolan verweist Charlie nicht von der Schule, um dessen Märtyrerrolle nicht noch weiter zu bestätigen. Anschließend sucht Nolan das Gespräch mit Keating und versucht, diesem die Erziehungsziele der Institution zu verdeutlichen:

Text 5
Nolan: „Das hier ist mein erstes Klassenzimmer, John, wußten Sie das? ... Mein erster Schreibtisch.“
Keating: „Ich wußte gar nicht, daß Sie unterrichtet haben, Mr. Nolan.“
Nolan:  „Englisch ... lange vor Ihrer Zeit. ... Und es ist mir schwergefallen, aufzuhören. ... John, mir sind da Gerüchte zu Ohren gekommen über unorthodoxe Lehrmethoden in Ihrer Klasse! Ich will damit nicht sagen, daß diese Methoden irgendetwas mit Daltons Ausbruch zutun haben könnten. Ich glaube, ich muß Sie nicht davor warnen, daß Jungen in seinem Alter sehr leicht beeinflußbar sind!“
Keating: „Ich bin überzeugt, daß Ihre Rüge Spuren hinterlassen hat.“
Nolan: „Was war da übrigens neulich auf dem Schulhof los?“
Keating: „Auf dem Schulhof?“
Nolan: „Ja, die Jungs sind marschiert und haben dabei geklatscht.“
Keating: „Ach so, ich wollte mit dieser Übung etwas veranschaulichen: die Gefahr der Konformität.“
Nolan: „John, der Lehrplan steht fest! Er hat sich bewährt und ist effektiv. Wenn Sie ihn in Frage stellen, könnten die Jungs dasselbe tun.“
Keating: „Ich hab’ immer geglaubt, Erziehung hätte selbständiges Denken zum Ziel.“
Nolan: „Bei Jungen dieses Alters? Niemals! ... Tradition, John! Disziplin! ... Bereiten Sie sie auf`s College vor, dann wird sich alles andere auch einstellen.“

Nach diesem Gespräch antizipiert Keating ansatzweise die Gefahren, die bei konsequentem Ausleben seiner Erziehungsphilosophie entstehen können, und versucht, die Jungen im allgemeinen wie Charlie im besonderen darauf aufmerksam zu machen, nicht zuviel zu riskieren:

Text 6
Charlie: (berichtet den Mitgliedern des Clubs in einem Gemeinschaftsraum der Academy) „Quiiiek! ... Und dann pürschte er sich von links an mich `ran. ... Quiiiek! ...Quiiiek! ... Beugen Sie sich vornüber, Mr. Dalton! Das konnte bloß heißen ...“
Keating: (betritt den Raum; Schüler wollen sich erheben) „Schon gut, Gentleman!“
Charlie: „Mr. Keating!“
Keating: „Mr. Dalton, das war`ne miese Show, die sie heute abgezogen haben!“
Charlie: „Sie stehen auf Mr. Nolans Seite? Und was ist mit ‚Carpe diem’ und ‚Saugt das Mark des Lebens in Euch auf’?“
Keating: „Das Mark des Lebens in sich aufzusaugen heißt nicht, am Knochen zu ersticken!“ ... (flüsternd) „Mal muß man wagemutig sein und mal vorsichtig. Und wer klug ist, weiß, wann was angebracht ist.“
Charlie: „Ich dachte, Sie würden es gut finden!“
Keating: „Nein! Einen Schulverweis zu riskieren hat nichts mit Mut zu tun, sondern mit Dummheit. Sie würden sich nämlich viele Chancen verbauen!“
Charlie: „So! Welche denn?“
Keating: „Zum Beispiel die Chance, an meinem Unterricht teilnehmen zu können. ... Klar, Du Ass?“
Charlie: „Aye, aye, Captain!“
Keating: „Bewahren Sie sich`n klaren Kopf! Das gilt für die meisten von Ihnen!“
Alle: „Ja, Captain.“
Keating: (geht zur Tür) „Ein Anruf von Gott. ... ‚Empfänger bezahlt’, das wäre mutig gewesen!“ (Gelächter)

Dieses Gespräch (vgl. Text 6) zeigt jedoch, daß Keating es nicht lassen kann, im letzten Satz des Gesprächs wieder „seiner Linie treu zu bleiben“ („Empfänger bezahlt, das wäre mutig gewesen!“). Zudem wird deutlich, daß die Schüler nicht in der Lage sind, die von Keating erkannte und problematisierte Dichotomie zwischen Romantik und Realismus, ausgedrückt durch die Lebensphilosophie des ‚Carpe diem’ und die Realitätsanforderungen der Welton-Institution, zu erkennen bzw. aufzulösen („Sie stehen auf Mr. Nolans Seite? Und was ist mit ‚Carpe diem’ und ‚Saugt das Mark des Lebens in Euch auf’?“). Keating scheint an dieser Stelle diesen Zusammenhang zwar zu durchschauen („Das Mark des Lebens in sich aufzusaugen heißt nicht, am Knochen zu ersticken!“), erkennt jedoch nicht konsequent an, daß diese Dichotomie an sich unsinnig ist: Die Unterscheidung zwischen den extremen Polen Realismus und Romantik läßt sich nicht durch eine ‚Entweder-Oder-Strategie’ auflösen, da die Wahl eines Extrempols kontraproduktiv ausfällt. Der Ausweg, der in einer ‚Sowohl-Als-Auch-Strategie’ besteht, wird von Keating nur ansatzweise erkannt. Heilker analysiert genau diesen Zusammenhang und stellt die Untauglichkeit dichotomer Gegensätze wie beispielsweise gut - böse, männlich - weiblich, Romantik vs. Realismus, Individualismus vs. Kollektivismus, etc. heraus. Bezogen auf Keatings Lehrerrolle zieht Heilker folgende Schlüsse:

„The movie ‚Dead Poets Society’ offers a distilled and emblematic view of what can happen to teachers, students, and teaching when they are stuck in the Bi-Polar mindset. As I interpret it, all that Robin Williams’ character, Mr. Keating, can offer his students is the other side of binary oppositions of the dominant ideology in place. He is not able to lead them toward emacipation or some transformation of their lives, but rather only able to encourage them in their opposition to the dominant culture“ (Heilker 1991, S. 7).

Nach Heilker führt die Unfähigkeit zur Auflösung dieser dichotomen Gegensätze in die Katastrophe: Neil begeht Selbstmord, Keating wird entlassenen und die übrigen Schüler erfüllen erneut die konservativen Anforderungen der Institution. Das Thema ‚Lehrerselbstverständnis vs. Lehrplan’ löst sich an dieser Stelle in der Frage auf, auf welche Art und Weise die Tätigkeit des Lehrers Schülern bessere Wege aufzeigen kann, mit den Anforderungen, die ihnen im Leben gestellt werden, umzugehen. Heilker beantwortet diese Frage folgendermaßen:

„If we ever hope to get beyond the tragedy of a Dead-Poets-Society-kind of impotency and create social change with our teaching, then we must develop theories and pedagogies of inclusiveness, of ‚both-and-ness,’ to displace those of violent differentiation that now imprison both our students and ourselves. We need to offer our students construcs that bridge the gulf between the dominant ideologies in our world“ (ebd.).

Er stellt damit jedoch auch hohe Anforderungen an Selbst- und Rollenverständnis der Lehrer.

Zwischenfazit:
Pädagogische Verantwortung als zentrales Thema im ‘Club der toten Dichter’ (3.5)

 

Mich die Liebe lehren?

Lehre Du Dich mehr Verstand;

in dem Fach bin ich Hauptdozent.

Der Liebesgott, falls es ihn gibt,

mag wohl von mir das Lieben lernen.

Abraham Cowley   (gekürzt, aus:‚The Prophet’)

Die Analyse thematischer Aspekte des Films ‚Der Club der toten Dichter’ in den Abschnitten dieses Kapitels zeigt die Vielschichtigkeit und den Reichtum unterschiedlicher Facetten, die unter pädagogischem Blickwinkel betrachten werden können. Dabei konnte an dieser Stelle nur eine kleine Auswahl der möglichen Themen in den Blick genommen werden. Der Film bietet viele weitere thematische Aspekte, beispielsweise mit Blick auf einen Einsatz in der Lehrerausbildung (z. B. Seminare in der Universität) oder die Thematisierung der ‚Schule als Lebens- und Erfahrungsraum vs. Prinzipienanstalt’ oder umgangssprachlich formuliert: „Erkennen und Leben kontra Pauken?“ (Fried 1992, S. 52). Im Kontext der Lehrerausbildung wäre auch eine noch tiefergehendere schulpädagogische Betrachtung (bspw. in bezug auf Keatings Unterrichtsmethoden) angebracht.

Da der Schwerpunkt dieser Hausarbeit jedoch darin liegt, Einsatzmöglichkeiten des Films im Rahmen des UFP-Unterrichts aufzuzeigen, erfolgte eine Beschränkung auf die oben analysierten Themenbereiche.

Unter methodischem Aspekt dominiert diese Analyse eine qualitative Vorgehensweise: Filmdialoge wurden in einem ersten Schritt so wortgetreu wie möglich transkribiert und im zweiten Schritt interpretiert sowie aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert (in Ansätzen somit eine hermeneutische Vorgehensweise).

Im Hinblick auf den UFP-Unterricht stand dabei die Frage nach der pädagogischen Verantwortung im Vordergrund. Pädagogische Verantwortung wurde dabei aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, die wie folgt systematisiert werden können:

·        Verantwortung des Lehrers vor seinen Schülern (vgl. 3.1, 3.2, 3.3)

·        Verantwortung des Lehrers vor den Eltern (vgl. 3.1)

·        Verantwortung des Lehrers vor dem Curriculum/ Lehrplan (vgl. 3.4)

·        Verantwortung des Lehrers vor seinen Kollegen (vgl. 3.4)

·        Verantwortung des Lehrers vor sich selbst (vgl. 3.1)

·        Verantwortung der Schüler vor sich selbst (vgl. 3.1, 3.3)

Im folgenden vierten Kapitel sollen diese thematischen Aspekte, die wie oben bereits angedeutet, im UFP-Unterricht - aber auch in anderen Fächern bspw. der Lehrerausbildung - besprochen werden können, herangezogen werden, um Anhaltspunkte für eine Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ im UFP-Unterricht zu liefern.



 

‘Der Club der toten Dichter’ im UFP-Unterricht (4)

 

Ich und mein Leben!

Die immer wiederkehrenden Fragen,

der endlose Zug der Ungläubigen,

die Städte voller Narren,

Wozu bin ich da? Wozu nützt dieses Leben?

Die Antwort: Damit du hier bist - damit das

Leben nicht zu Ende geht, Deine Individualität,

damit das Spiel der Mächte weiterbesteht,

und Du Deinen Vers dazu beitragen kannst!

Walt Whitman   (gekürzt,aus: ‚O Me! O life!’)

 Zunächst eine kurze Vorbemerkung: Der Film ‚Der Club der toten Dichter’ eignet sich nicht nur für den Einsatz im UFP-Unterricht, sondern kann in vielen anderen Unterrichtsfächern, wie beispielsweise in den Fächern Deutsch, Englisch oder Religion - je nach Wahl der unterschiedlichen Medien (Film bzw. Buch zum Film in deutscher Version oder Originalversion, vgl. Abschnitt 2.2) -, eingesetzt werden, wobei sich Möglichkeiten einer interdisziplinären Behandlung der Themen in unterschiedlichen Schulfächern sowie Chancen im Rahmen fächerübergreifenden Unterrichts ergeben können. Dieselben können an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft werden, da das Ziel dieser Hausarbeit darin besteht, eine speziell für das Unterrichtsfach Pädagogik zugeschnittene Unterrichtseinheit zum Film zu entwickeln. Im Zentrum dieser Unterrichtseinheit steht die Beschäftigung mit dem Film. Dies bedeutet nicht, daß eine Behandlung des ‚Clubs der toten Dichter’ über die Lektüre des Buches zum Film weniger gewinnbringend sein kann, ist jedoch eine andere alternative Vorgehensweise, die hier nicht weiter berücksichtigt werden kann.

In den folgenden Abschnitten wird eine derartige Unterrichtseinheit auf der Basis des Films entwickelt, wobei im Rahmen der didaktischen Analyse grundlegende Erwägungen bezüglich des Unterrichtseinsatzes des Films erörtert werden (4.1). In den folgenden Abschnitten werden die diesbezüglichen Methoden (4.2) und Lernziele (4.3) genauer benannt, bevor im Abschnitt 4.4 ein kurzer Überblick über eine mögliche Unterrichtseinheit gegeben wird.

Zu berücksichtigen ist dabei zum einen, daß bei der konkreten Ausarbeitung einer Unterrichtseinheit diese drei Perspektiven untrennbar miteinander verkoppelt sind und an dieser Stelle nur aus analytischen und systematischen Gründen getrennt betrachtet werden. Zum anderen soll diese Hausarbeit Anhaltspunkte für den Unterrichtseinsatz liefern. Eine vollständig ausgearbeitete Unterrichtseinheit mit stundenweisen Planungsskizzen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zum dritten fehlen bezüglich einer konkreten Ausarbeitung der Unterrichtseinheit wichtige Rahmendaten wie beispielsweise die geschlechtsspezifische Zusammensetzung der Schulklasse, in der die Einheit eingesetzt werden soll, Informationen zum Lernstand der Schüler, die bezüglich didaktischer Überlegungen beispielsweise zur Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung von Wichtigkeit sein können, sowie die Rahmenvorgaben bezüglich konkreter institutioneller Vorgaben, wie beispielsweise Absprachen in Fachkonferenzen oder die Möglichkeit, über mehrere Schulstunden einen Videorecorder einsetzen zu können. An dieser Stelle soll davon ausgegangen werden, daß der Einsatz des Films im Unterricht nicht auf medientechnische Probleme stößt sowie die didaktischen Voraussetzungen für die Unterrichtseinheit als gegeben angesehen werden können.

Da unterschiedliche Rahmendaten bezüglich unterschiedlicher Schulklassen differenzierte Vorgehensweisen beim Einsatz der Unterrichtseinheit sowie Änderungen im Ablauf bedingen können, sind die folgenden Planungen allgemein gehalten. Die Unterrichtseinheit besteht aus ‚Bausteinen’, die aufgrund von didaktischen Überlegungen ergänzt, abgeändert oder weggelassen werden können.

 

Didaktische Analyse (4.1)

In diesem Abschnitt sollen grundlegende Überlegungen zum Einsatz des Films ‚Der Club der toten Dichter’ im UFP-Unterricht angestellt werden. Dabei ist zunächst zu klären, in welcher Art und Weise der Film im Unterricht eingesetzt werden kann. (Die damit verbundenen (Lern)ziele werden unter 4.3 näher erläutert und sollen an dieser Stelle zunächst unberücksichtigt bleiben.)

Entschließt man sich dazu, eine Unterrichtseinheit auf der Basis des Films aufzubauen, so muß zunächst berücksichtigt werden, daß der Film ‚Der Club der toten Dichter’ mit einer Gesamtlänge von fast 120 Minuten ohne Kürzungen, die sich nachteilig auf eine auf der Basis von Ganzheitlichkeit geplanten Unterrichtseinheit auswirken können, in irgendeiner Weise im Unterricht gezeigt werden muß. Dazu bieten sich zumindest zwei sinnvolle Alternativen:

Fried schlägt vor, den Film den Schülern in voller Länge, möglichst außerunterrichtlich zu präsentieren, um „die Stückelung in 45-Minuten-Abschnitte zu vermeiden und einen ungestörten Gesamteindruck zu ermöglichen“ (Fried 1992, S. 53).

Alternativ kann es sinnvoll sein, den Film doch im Rahmen des Schulunterrichts zu präsentieren, wobei zumindest eine Unterbrechung an einer prägnanten Stelle in Kauf genommen wird.

Die hier vorgestellte Unterrichtseinheit soll auf der zweiten Alternative basieren: Da sowohl in Grund- als auch in Leistungskursen im UFP-Unterricht zumindest eine Doppelstunde pro Woche zur Verfügung steht, kann der Film in zwei Blöcke unterteilt präsentiert werden. In der ersten Doppelstunde werden die ersten 80 Minuten des Films ohne Unterbrechung angesehen, bis einschließlich der Szene, in der Neil Keating aufsucht, um Rat zu holen, da ihm sein Vater das Theaterspiel untersagt hat (vgl. 2.1). Nach dieser Szene ist der katastrophale Verlauf der Handlung noch nicht voll antizipierbar, so daß man die Schüler, die den Film(ausgang) noch nicht kennen, beispielsweise im Rahmen einer kurzen schriftlichen Hausaufgabe dazu anregen kann, sich gedanklich mit dem weiteren Verlauf der Handlung auseinanderzusetzen und Vermutungen über denselben anzustellen (Beispiel: „Wie wird der Interessenkonflikt zwischen Neil und seinem Vater wohl ausgehen? Welche Konsequenzen kann dies haben?“). Schülerinnen und Schüler, die mit dem Film schon durch Kino oder Video vertraut sind und den Ausgang des Filmes somit kennen, könnten sich alternativ zu ihren Gefühlen bezüglich der Handlung schriftlich äußern.

Da sich bis zu dieser Szene die emotionale Betroffenheit der Schülerinnen und Schüler noch in Grenzen hält, scheint ein Einschnitt in der Präsentation an spätestens dieser Stelle (80. Minute) sinnvoll, da sich an die Präsentation des gesamten Filmes ein einfühlsames Unterrichtsgespräch zur „affektiven Verarbeitung“ anschließen sollte und die Schülerinnen und Schüler nicht mit ihren Gefühlen bis zur nächsten Unterrichtsstunde alleingelassen werden sollten.

Der zweite Teil des Films (80. - 120. Minute) sollte nach Möglichkeit in einer weiteren Doppelstunde präsentiert werden, damit sowohl für die Auswertung der Vermutungen über den weiteren Handlungsverlauf sowie für die emotionale Nachbearbeitung im Unterrichtsgespräch genügend Zeit bleiben.

Die sich an die Filmpräsentation anschließenden Unterrichtsbausteine der Unterrichtssequenz sind bezüglich ihrer Reihenfolge und ihres zeitlichen Ablaufs offener. Sie sollen in den folgenden Abschnitten vorbereitet bzw. didaktisch begründet werden. Im Abschnitt 4.4 werden sie abschließend mit Vorstellung der einsetzbaren Materialien zusammengestellt.

 

Einordnungsmöglichkeiten im Lehrplan des Unterrichtsfachs Pädagogik (4.1.1)

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Einordnungsmöglichkeiten der Unterrichtssequenz zum ‚Club der toten Dichter’ bezüglich des Lehrplans des Unterrichtsfachs Pädagogik:

 

Tab. 1:  Curriculare Zuordnungsmöglichkeiten der Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’
Kurs­halbjahr Thema (verbindlicher thematischer Schwerpunkt) Unterthema (möglicher thematischer Aspekt) Gegenstand mit Bezug auf die Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’
11/I Individuum und Gruppe im Erziehungsprozeß Gruppe als pädagogisches Feld Cliquenstruktur und –beziehungen der Clubmitglieder; Treffen in der Höhle
Autorität als pädagogisches Problem Keating zwischen Erziehung zur Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung und Manipulation; Lehrerverhalten und Schüler-Lehrer-Beziehung
Erzieherrolle und Erzieherverhalten Erziehungspraktiken und –techniken und ihre Legitimation Keatings Unterrichtsmethoden
Das pädagogische Verhältnis Schüler-Lehrer-Beziehung zwischen Nähe und Distanz
11/II Lernen im Erziehungsprozeß Beeinflussung von Lernprozessen durch Erzieherverhalten Erziehung und/ oder Manipulation bezüglich Keatings Unterrichtsmethoden und –ziele
Die Bedeutung von Lernen für die Bewältigung von Lebenssituationen Unterricht als organisierter Lernprozeß Vergleich der Unterrichtsmethoden Keatings und seiner Kollegen (z. B. Frontalunterricht vs. ganzheitlicher Unterricht)
12/I Entwicklung- und Sozialisationsprozesse Entwicklungs- und Sozialisationsgeschehen in bestimmten gesellschaftlichen Bedingungsfeldern Mitglieder des ‚Clubs der toten Dichter’ zwischen Romantik und Realität bzw. Individualität und Institution (schulische Sozialisation)
Pädagogisches Denken und Handeln aufgrund von Erkenntnissen über Entwicklung und Sozialisation Möglichkeiten und Grenzen der Erziehung zur Selbständigkeit Möglichkeiten der Mitbestimmung in der Schule: Charlies Forderung nach Mädchen im Welton-Internat
Berufspädagogische Aspekte der Sozialisation Schüler zwischen den Erwartungen der Eltern und der Realität: Neils Wunsch, Schauspieler zu werden
12/II Erscheinungsformen gestörter Entwicklung und Sozialisation Identitätskrisen Schüler zwischen Romantik und Realismus Generationenkonflikt: Beziehung zwischen Neil und seinem Vater
Beeinträchtigende Faktoren von Entwicklung und Sozialisation und Versuche ihrer wissenschaftlichen Erfassung Situation der Familie in der modernen Industriegesellschaft Vergleich mit den 60er Jahren in den USA: Folgen autoritärer Erziehung; Eliteinternate und ihre Wirkung auf die Familie am Beispiel von Neils Familie
Schichtenspezifische Sozialisationsprobleme Erziehungsstile: Folgen extremer autoritärer Erziehung für das Individuum am Beispiel von Neil u.a.
Möglichkeiten pädagogischer Hilfen und Maßnahmen Sozial- und sonderpädagogische Institutionen, Maßnahmen und Methoden Probleme der Heimerziehung am Beispiel des Welton-Internates
13/I Normen und Ziele in Erziehungssystemen verschiedener Gesellschaften Erziehungsziele und ihre Begründung in geschlossenen und offenen Gesellschaftssystemen Vergleich: Erziehung in den USA der 60er Jahre; Eliteuniversitäten (Problem: Realitätsgehalt des Films!)
Erziehungsprobleme aufgrund des Verlusts einheitlich anerkannter Normen in pluralistischen Gesellschaften Vergleich: Generationenkonflikt am Beispiel von Neils Familie
Wirkungen unreflektierter Normen in der Erziehung Traditionalismus: Folgen extremer autoritärer Erziehung für das Individuum am Beispiel von Neil u. a.
Institutionalisierung von Erziehung – geschichtliche Bedingungen und politische Bedeutung Institutionalisierte Erziehung – Erscheinungsformen, Funktionen und Wirkungen Wandel der Schule/ Erzeihungsformen Vergleich: autoritäre Erziehung am Beispiel von Neil
Entstehung und Begründung von Normen in der bildungs­theoretischen Diskussion Interessengruppen (Eliteuniversitäten, Eltern, Staat u.a.) und Erziehungsziele des Welton-Internates (Tradition, Ehre, Disziplin, Leistung)
Pädagogische Theorien – ihr Wandel und ihre normierenden Wirkungen auf die pädagogische Praxis Pädagogische Grundprobleme und ihre Reflexion im historischen Wandel Erziehung und Mündigkeit: Vergleich: Erziehungsziele im Welton-Internat (Anpassung, Eingliederung in die Gesellschaft)
13/II Personalisation im Spannungsfeld von historischen, politischen und gesellschaftlichen Faktoren Aspekte der Identitätsfindung und Mündigkeit Rollenprobleme (Fremd- und Selbstansprüche): Mitglieder des ‚Clubs der toten Dichter’ zwischen Anpassung (z. B. Cameron) und Auflehnung (z. B. Charlie), bzw. zwischen institutionellen Anforderungen und Individualität Rollenkonflikte: Keating im Spannungsfeld zwischen Institution und Lehrerselbstverständnis

 

Dieser Einordnung wurden die Richtlinien Erziehungswissenschaft für die gymnasiale Oberstufe des Kultusministeriums NRW zugrunde gelegt (vgl. Kultusministerium NRW 1981, S. 37 - 58). Tabelle 1 zeigt: Die Inhalte des Films ‚Der Club der toten Dichter’ berühren viele Themen, die Schwerpunkte im UFP-Unterricht sind. In allen Schulhalbjahren lassen sich diesbezüglich Anknüpfungspunkt aufzeigen. Der Einsatz des Films kann somit - zumindest was seine Legitimation bezüglich des UFP-Curriculums betrifft - in jedem Kurshalbjahr im UFP-Unterricht der gymnasialen Oberstufe eingesetzt werden. Der Frage nach den Konsequenzen dieser Zuordnung der Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ zu einem bestimmten Kurshalbjahr wird im folgenden Abschnitt weiter nachgegangen.

 

‘Der Club der toten Dichter’ als Einführungs-, Vertiefungs- oder Wiederholungsthema (4.1.2)

Im vorhergehenden Abschnitt wurde aufgezeigt, daß sich eine Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ vielen Kursthemen zuordnen läßt. Die Frage nach den didaktischen Konsequenzen, die sich aus einer entsprechenden Zuordnung ergeben, soll im folgenden thematisiert werden:

Prinzipiell läßt sich die Unterrichtseinheit als Einführungsthema zu Beginn der Jahrgangsstufe 11/I, als Vertiefungsthema zu irgendeinem der in Tabelle 1 (vgl. Abschnitt 4.1.1) genannten Schwerpunkte sowie als Wiederholungsthema zu Beginn der Jahrgangsstufe 13/II konzipieren. In der folgenden Tabelle werden die Vor- und Nachteile der Unterrichtseinheit als Einführungs-, Vertiefungs- und Wiederholungsthema genannt:

Tabelle 2 zeigt: Alle drei alternativen Einsatzverfahren der Unterrichtseinheit sind mit entsprechenden Konsequenzen verbunden, die sich sowohl positiv im Sinne von Vorteilen als auch negativ und somit nachteilig auswirken können. Wenn diese Konsequenzen beim Einsatz der Unterrichtseinheit mitberücksichtigt werden, ist der Einsatz der Unterrichtseinheit als Einführungs-, Vertiefungs- wie auch Wiederholungsthema sinnvoll.

 

Tab. 2:  Vor- und Nachteile der Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ als Einführungs-, Vertiefungs- bzw. Wiederholungsthema
Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ als ... Vorteile Nachteile
Einführungsthema ·    besseres Kennenlernen der SchülerInnen erleichtert die Arbeit im Unterricht, z. B. bezüglich des Distanz-Nähe-Verhältnisses (Wie stehen die SchülerInnen dazu?), ohne dieses direkt zu thematisieren ·    in späteren Halbjahren Rückgriffmöglichkeiten im Sinne des Spiralcurriculums ·    Dialoganalyse/ hermeneutische In­haltsanalyse kann auch in anderen Kurseinheiten eingesetzt werden ·    Gefahr des zu häufigen Rückgriffs auf den Film, so daß Langeweile entsteht und die Unterrichtseinheit nachträglich negativ besetzt wird ·    Vorgriff auf inhaltliche Themen folgender Kurshalbjahre u. U. unvermeidbar ·    Gefahr einer zu oberflächlichen Behandlung der Inhalte bei der Diskussion des Films unter pädagogischen Aspekten (SchülerInnen besitzen nur wenig Hintergrundwissen)
Vertiefungsthema ·    intensive Konzentration auf einen thematischen Schwerpunkt möglich ·    Gefahr der zu intensiven Behandlung eines inhaltlichen Schwerpunkts ·    Vorgriff auf inhaltliche Themen folgender Kurshalbjahre aufgrund der inhaltlichen Komplexität des Film unvermeidbar ·    Dialoganalyse/ hermeneutische In­haltsanalyse steht für andere Kurseinheiten evtl. erst ab dieser Unterrichtseinheit zur Verfügung
Wiederholungs­thema ·    Rückgriffmöglichkeiten im Sinne des spiralförmigen Aufbaus des Curriculums nutzbar ·    Wiederholungsmöglichkeiten, bspw. durch ganzheitliche sozialisations­theoretische Betrachtung der Film-inhalte, zur Abiturvorbereitung ·    keine inhaltlichen Vorgriffe auf an­dere Kursthemen erforderlich ·    Dialoganalyse/ hermeneutische In­haltsanalyse steht erst sehr spät zur Verfügung und kann nicht im Rahmen anderer Kurseinheiten genutzt werden, wenn sie nicht schon in früheren Kurseinheiten behandelt wurde

 

M. E. bietet jedoch besonders der Einsatz der Unterrichtseinheit als Einführungsthema besondere Chancen für den Pädagogikunterricht, da auf diese Weise grundlegende Einstellungen der Schülerinnen und Schüler in bezug auf Schule und Unterricht schon früh und in indirekter Weise abgefragt werden können: Erhalten die Schülerinnen und Schüler beispielsweise die Aufgabe, Keatings Unterrichtsmethoden zu bewerten (bspw. in Form der Formulierung eines elterlichen Protestbriefs an Keating: „Warum wir nicht wünschen, daß Sie mit unseren Sohn in Ihrem Unterricht so verfahren.“ (Bosold 1991, S. 7) oder als Antwortbrief Keatings: „Warum ich so gehandelt habe.“ (ebd.), erhält der Lehrer auf unkomplizierte Weise und ohne die Schülerinnen und Schüler direkt zu fragen, Informationen über die Einstellungen und Wünsche der Schülerinnen und Schüler bezüglich Unterrichtsmethoden und dem Erziehungsstil des Lehrers, z. B. hinsichtlich des Spannungsfeldes zwischen Nähe und Distanz. Die in dieser Hausarbeit erarbeitete Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ wird daher als einführende Unterrichtseinheit konzipiert.

 

Methodische Aspekte (4.2)

In diesem Abschnitt sollen die methodischen Aspekte der Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ genauer beschrieben werden. Es handelt sich dabei zum einen um Unterrichtsmethoden mit Bezug auf bestimmte Sozialformen, wie beispielsweise die Erstellung von Dialogsequenzen in Gruppenarbeit, und zum anderen um methodische Verfahrenstechniken, wie beispielsweise dem hermeneutischen Verfahren der Textinterpretation, die sowohl in der Unterrichtseinheit als auch in dieser Hausarbeit (vgl. Abschnitt 3) angewendet werden können bzw. angewandt wurden. Im folgenden werden die vier wichtigsten dieser Methoden (Interpretation von Dialogsequenzen, Filmanalyse, Unterrichtsgespräche und Literaturarbeit) kurz vorgestellt und unter didaktischen Gesichtspunkten diskutiert.

Hermeneutische Interpretation von Dialogsequenzen (4.2.1)

Die hermeneutische Interpretation von Dialogsequenzen soll im Rahmen der Unterrichtseinheit in zwei Schritten vollzogen werden:

Zunächst werden die entsprechenden Filmszenen mit Hilfe eines Videorecorders transkribiert. Dies soll in Gruppenarbeit erfolgen, um die soziale Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern und eine möglichst genaue Textwiedergabe zu gewährleisten. Den Schülerinnen und Schülern soll verdeutlicht werden, daß es zum einen darauf ankommt, die sprachlichen Dialoge so wortgetreu wie möglich festzuhalten und zum anderen, das Transkript derart mit kurzen Anmerkungen zur Handlung zu ergänzen, daß auch für Leser ohne Kenntnis des Films Verständlichkeit der Szene erreicht wird. Es sind somit neben Sprache auch Mimik und Gestik sowie Klangfarbe einzubeziehen (vgl. die Dialogsequenzen (Text 1 – 6) aus den Abschnitten 3.1 - 3.4). Ein Vergleich der Transkripte eines Dialoges, die von mehreren Schülergruppen parallel angefertigt wurden, sollte die diesbezüglichen Unterschied aufzeigen und helfen, diese Transkriptionstechnik zu verfeinern.

Im zweiten Schritt werden diese transkribierten Dialogsequenzen im Unterricht (bspw. in Unterrichtsgesprächen) ausgewertet und interpretiert. Es handelt sich dabei um ein qualitatives, hermeneutisches Verfahren, das beispielsweise auch von Combe/Helsper zur Analyse des Schul- und Unterrichtsgeschehens angewandt wurde (vgl. Combe/Helsper 1994). Im Unterricht sowie in dieser Hausarbeit ist bzw. war eine derart tiefgehende Interpretation, wie sie bezüglich ihrer SchülerInnen-Interviews Combe/Helsper vollzogen haben, jedoch nicht oder nur ansatzweise möglich. Mit anderen Worten: Der Schwerpunkt in der Unterrichtseinheit liegt eher im Erlernen der Methoden (Transkription, Interpretation) als in der Tiefe der Interpretation.

Filmanalyse (4.2.2)

Als zweiter methodischer Aspekt soll hier nur kurz auf die Methode der Filmanalyse in Ansätzen - oder eher ‚medienpädagogischen Filmbetrachtung’ - eingegangen werden. Die Ergebnisse einer derartigen Filmbetrachtung sowie eine genaue Beschreibung der methodischen Vorgehensweise wurden bereits in Abschnitt 2.2 geliefert (vgl. auch Schreckenberg 1997). Die Filmbetrachtung kann derart in den Unterricht eingebunden werden, daß zunächst im Unterrichtsgespräch allgemein über formale Aspekte des Films gesprochen wird. Dabei wird besonderer Wert auf Effekte gelegt, die den Zuschauer unbewußt beeinflussen (vgl. Subtexte ‚Licht‘, ‚Natur‘ und ‚Raum‘ unter Punkt 2.2). Um Vermutungen der Schülerinnen und Schüler diesbezüglich zu bestätigen, zu widerlegen oder zu vertiefen, sollten die entsprechenden Szenen erneut angeschaut und analysiert werden. Eine alternative oder unterstützende Vorgehensweise kann darin bestehen, ausgedruckte Standbilder des Films (vgl. Abbildungen in dieser Hausarbeit) auszuwerten (wie bspw. in Abschnitt 2.2). Im Tafelbild können die Ergebnisse dieser Filmbetrachtung (nach Subtexten gegliedert) festgehalten werden.

Reflexionsmöglichkeiten mit Hilfe von Unterrichtsgesprächen (4.2.3)

Sowohl direkt nach Präsentation des Films wie auch bei der Behandlung bzw. Vertiefung einzelner inhaltlicher Filmthemen sowie bei der pädagogischen Interpretation derselben kann auf Unterrichtsgespräche nicht verzichtet werden. Dabei können sich Möglichkeiten zur Selbstreflexion wie auch zur gemeinsamen Reflexion ergeben: Der Film kann in starkem Maße Betroffenheit und emotionale Reaktionen auslösen, da er die Schülerinnen und Schüler zugleich bezüglich mehrerer Rollenerwartungen anspricht: Zum einen befinden sie sich selbst in der Rolle als Schülerinnen bzw. Schülern, zum anderen in der Rolle als Tochter bzw. Sohn, die zugleich Anforderungen ihrer Eltern sowie der Institution Schule erfüllen müssen. Die Schülerinnen und Schüler sollen diesbezüglich ermuntert werden, sich beispielsweise in die Rolle von Neil hineinzuversetzen, wodurch zugleich ihre Fähigkeiten zur Empathie und Perspektivübernahme trainiert werden. Selbstreflexion erfolgt in dieser Situation beispielsweise bezüglich der Frage, wie sie sich in einer derart autoritären Familie wie Neils fühlen würden, bzw. wie sie sich als Schülerin oder Schüler der Welton-Akademie verhalten würden. Auch die Frage nach der Beurteilung von Keatings Unterrichtsmethoden setzt diese Fähigkeiten auf Schülerseite voraus. Nach kurzen Phasen des Nachdenkens und der Selbstreflexion können die Ergebnisse derselben in Unterrichtsgespräche eingebracht und gemeinsam ausgewertet werden.

Literaturarbeit (4.2.4)

Unter Literaturarbeit soll in diesem Zusammenhang der Umgang mit Sekundärliteratur zum ‚Club der toten Dichter’ verstanden werden. Zum einen können verschiedene Passagen oder die gesamte Filmhandlung im Buch zum Film nachgelesen werden. Aus oben beschriebenen Gründen wird von dieser Möglichkeit bei der Entwicklung dieser Unterrichtseinheit jedoch kein Gebrauch gemacht (vgl. Abschnitt 2). Zum anderen können einige der in Abschnitt 2.3 vorgestellten Sekundärtexte zum Film in sinnvoller Weise auch im Pädagogikunterricht eingesetzt werden. Diesbezüglich soll in der hier vorgestellten Unterrichtseinheit ein Auszug eines englischsprachigen Sekundärtextes einbezogen werden (vgl. Baker o. J., sowie Abschnitt 4.4.5). Diese kurze, z. T. provokative Interpretation des Films wurde anscheinend von einer College-Absolventin im Internet veröffentlicht und analysiert die Charaktere des Films anhand der selbst entwickelten Kategorien ‚Romantic’, ‚Realist’ und Anti-romantic romanticist’, eine zugegebenermaßen eigentümliche aber doch informative Interpretation, durch die das Spannungsverhältnis Keatings wie auch der Schüler der Welton-Akademie zwischen institutionellen Anforderungen und Individualität tiefergehend beschrieben wird. Im Vordergrund der Betrachtung soll dabei die Fragestellung stehen, in wieweit diese Interpretation dem Film gerecht wird und ob sie dem Anspruch einer zentralen Interpretationslinie nahekommt. Da aus dem Textauszug die Verfasserin desselben nicht klar hervorgeht, erscheint es sinnvoll, nach der Einschätzung der Schülerinnen und Schüler bezüglich des Interpretationswertes dieses Sekundärtextes Vermutungen über die Quelle anstellen zu lassen, wobei wohl eher pädagogische Fachwissenschaftler als Laien als Verfasser angenommen werden dürften, und anschließend die Quelle zu benennen. Der Lerneffekt diesbezüglich liegt zum einen darin, bei Texten grundsätzlich die Frage nach dem Verfasser bzw. der Verfasserin nicht zu übersehen, sowie zum anderen zu verdeutlichen, wie schnell falsche Annahmen in gedruckte Texte hineinprojiziert werden können. Die interessante Parallele zum ‚Club der toten Dichter’ - wenn auch in umgekehrter Richtung - liegt darin, daß im Film ein literarischer Fachwissenschaftler von Keating aufgrund seines Einordnungs- und Bewertungsinstruments für Lyrik als „Fachidiot“ entlarvt wird.

Mit der Beschreibung dieses vierten methodischen Aspektes soll die Darstellung derselben an dieser Stelle abgeschlossen werden, ohne jedoch Anspruch auf Vollständigkeit zur erheben. In die entwickelte Unterrichtseinheit fließen weitere Unterrichtsmethoden ein, wie beispielsweise das Rollenspiel, die in den entsprechenden Abschnitten unter Punkt 4.4 dargestellt werden.


Mögliche Lernziele (4.3)

In den folgenden Abschnitten sollen kurz die möglichen Lernziele, die sich aus der didaktischen und methodischen Analyse ableiten lassen sowie im Rahmen der Entwicklung der Unterrichtseinheit berücksichtigt wurden, dargestellt werden. Auf die beiden Lernziele ‚Selbstreflexion und Betroffenheit’ sowie ‚Erziehung zu Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung’ soll im folgenden genauer eingegangen werden, da sie einen großen Stellenwert in der fachdidaktischen Diskussion bezüglich des Unterrichtsfachs Pädagogik einnehmen. Abschließend erfolgt in Abschnitt 4.3.3 eine Zusammenfassung und Gegenüberstellung der im Rahmen der Unterrichtseinheit angestrebten Lernziele, wobei eine Trennung in kognitive, affektive und soziale Lernziele vorgenommen wird.

Selbstreflexion und Betroffenheit (4.3.1)

Eine stärkere Berücksichtigung der Lernziele ‚Selbstreflexion‘ und ‚Betroffenheit‘ im UFP-Unterricht wurde beispielsweise von Vogel (1992) gefordert. Er versteht unter Betroffenheit, daß ein Schüler „die für den Unterrichtsbetrieb übliche Distanz zu einem Unterrichtsgegenstand verliert; er entdeckt, daß das Thema in angeht, daß er und seine Lebenswelt, seine Erfahrungen gewissermaßen im Unterricht ‚vorkommen’“ (Vogel 1992, S. 3). In bezug auf den Einsatz des Films ‚Der Club der toten Dichter’ im UFP-Unterricht bietet sich gleich an mehreren Stellen die Chance, Betroffenheit bei Schülerinnen und Schülern auszulösen, z. B. durch den Selbstmord Neils oder die manipulativen Unterrichtsmethoden Keatings gegenüber Todd. Die Schülerinnen und Schüler können in diesem Zusammenhang auf eigene Erfahrungen mit Unterrichts- sowie Erziehungsmethoden zurückgreifen, da sie als Klienten der Institution Schule in einer ähnlichen - wenn auch ungefährlicheren und entspannteren - Lage sind als die Schüler im ‚Club der toten Dichter’. Durch ihre individuell erfahrene Erziehung können sie zudem den Erziehungsstil ihrer Eltern oder der schulischen Erziehung mit der autoritären Erziehungspraxis, die in der Welton-Akademie vorherrscht, vergleichen. An dieser Stelle und anderen Stellen des Films werden Schülerinnen und Schüler dazu animiert, über ihre eigenen Einstellungen und Wertmaßstäbe nachzudenken.

Erziehung zu Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung (4.3.2)

‚Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung’ besitzt nicht nur für den Pädagogikunterricht einen zentralen Stellenwert. Es ist ein in allen Richtlinien explizit eingefordertes, allgemeines Lernziel der gymnasialen Oberstufe und stellt einen grundlegenden Erziehungsauftrag dar. Eine Schülerin bzw. einen Schüler zu Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung zu erziehen, bedeutet, „ihm Hilfen zu geben für seine persönliche Entfaltung und die Gestaltung seines eigenen Lebens wie für die verantwortliche Teilhabe an der Gestaltung des öffentlichen Lebens“ (Kultusministerium NRW 1981, S. 16). Unabdingbare Voraussetzung zum Erreichen dieses Lernziels ist nach den Richtlinien die Bereitschaft und Fähigkeit, sich mit anderen zu verständigen, mit anderen zusammenzuarbeiten sowie „sich mit Werten und Wertsystemen auseinanderzusetzen, zu urteilen und sich zu entscheiden“ (ebd., S. 18). Der Einsatz des Films ‚Der Club der toten Dichter’ kann auf verschiedenste Weise zum Erreichen dieser Lernziele beitragen: Auf der methodischen Ebene wird Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung durch Sozialformen wie Gruppenarbeit und Rollenspiele in der entwickelten Unterrichtseinheit gefördert (vgl. 4.4.2, 4.4.3, 4.4.6). In bezug auf die inhaltliche Ebene dieses Lernziels ist der Film in der Lage, durch die autoritäre Erziehung, die Normen der sechziger Jahren sowie das mehrfach thematisierte Spannungsfeld der Akteure zwischen institutionellen Anforderungen und individueller Ausgestaltung ihres Lebens einen deutlichen Kontrast zu heutigen Wertvorstellungen, wie beispielsweise Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung, zu liefern, so daß die Bedeutung dieser Lernziele in besonderer Weise pointiert und somit für die Schülerinnen und Schüler klarer erfaß- und begreifbar wird.

Andere Lernziele und zusammenfassende Darstellung (4.3.3)

In der folgenden Tabelle sollen die wichtigsten Lernziele, die z. T. in den vorangegangenen Abschnitten entwickelt wurden, kurz zusammengefaßt und den jeweiligen Bausteinen der Unterrichtseinheit sowie den drei Gruppen ‚kognitive‘, ‚affektive‘ und ‚soziale‘ Lernziele zugeordnet werden. Auf eine Untergliederung in Grob- und Feinziele wurde an dieser Stelle verzichtet, da es sich hier nicht um die Lernzielanalyse eines Unterrichtsstundenentwurfs handelt, sondern um grundlegende Ziele einer Unterrichtseinheit.

 

Tab. 3:  Lernziele in bezug auf die Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ (Auswahl)
Lernzieldimension Grob- bzw. Feinziele
kognitiv ·    Die SchülerInnen sollen lernen, einen Film mit Hilfe des Analyseinstruments der Filmbetrachtung zu bearbeiten und unbewußte Subtexte anhand von Filmszenen und Standbildern aufzudecken (vgl. 4.4.2). ·    Die SchülerInnen sollen einen Eindruck von der Methode der medienpädagogischen Filmbetrachtung als Vorstufe der Filmanalyse erhalten (vgl. 4.4.2). ·    Die SchülerInnen sollen grundsätzliche Prinzipien der qualitativen Methode der ‚Transkription’ anhand von Filmdialogsequenzen sowie der ‚hermeneutischen Interpretation’ von Dialogen und Texten verstehen und einüben (Wissenschaftspropädeutik) (vgl. 4.4.3). ·    Die SchülerInnen sollen über ihre eigenen Rollen als Schülerin bzw. Schüler sowie Tochter bzw. Sohn reflektieren und ihre Erkenntnisse diesbezüglich artikulieren (vgl. 4.4.4). ·    Die SchülerInnen sollen die „Gratwanderung“ zwischen Nähe und Distanz in der Schüler-Lehrer-Beziehung erkennen und verstehen (vgl. 4.4.4). ·    Die SchülerInnen sollen die Gefahr erkennen, die im Einsatz unreflektierter und spektakulärer Unterrichtsmethoden liegt (vgl. 4.4.4). ·    Die SchülerInnen sollen in Ansätzen Vor- und Nachteile unterschiedlicher Unterrichtsmethoden kennenlernen (vgl. 4.4.4) ·    Die SchülerInnen sollen die Untauglichkeit extremer Dichotomien in den Lebenseinstellungen der Filmcharaktere erkennen und den Wert alternativer Mittelwege schätzen lernen (vgl. 4.4.5). ·    Die SchülerInnen sollen lernen, trotz institutioneller Rahmenbedingungen individuelle Lebenswege zu wählen und ihr Leben individuell auszugestalten (vgl. 4.4.5). ·    Die SchülerInnen sollen in die Methode des Rollenspiels eingeführt werden und lernen, ihre Meinungen und Positionen argumentativ zu untermauern und zu vertreten (vgl. 4.4.6). ·    Die SchülerInnen sollen den Wert und die Schwierigkeiten verantwortungsbewußten Handelns, besonders in pädagogischen Tätigkeitsfeldern, erfassen und verinnerlichen (vgl. 4.4.4 – 4.4.7).
affektiv ·    Die SchülerInnen sollen lernen, durch den Film ausgelöste Betroffenheit mit Hilfe von Selbstreflexion und Artikulation ihrer Gefühle in der Lerngruppe konstruktiv zu verarbeiten bzw. schriftlich in Worte zu fassen (vgl. 4.4.1). ·    Die SchülerInnen sollen Empathie bezüglich der Lehrerrolle entwickeln und Unterrichtsgeschehen somit in einer anderen Perspektive wahrnehmen. Wünschenswert wäre der Ausbau des gegenseitigen Verständnisses zwischen LehrerIn und SchülerInnen (vgl. 4.4.4).
sozial ·    Die SchülerInnen sollen durch die Artikulation von Gefühlen mehr Verständnis für MitschülerInnen als Persönlichkeiten aufbringen (vgl. 4.4.1). ·    Die SchülerInnen sollen anhand unterschiedlicher Aufgaben immer wieder Gruppenarbeit und damit Formen des gemeinsamen Arbeitens und der sozialen Interaktion einüben (vgl. 4.4.2, 4.4.3). ·    Die SchülerInnen sollen durch die Methode des Rollenspiels lernen, andere Meinungen ihrer MitschülerInnen zu akzeptieren.

 

Diese Gliederung berücksichtigt nur die wichtigsten in dieser Unterrichtseinheit angestrebten Lernziele. Viele inhaltliche Ziele wurden aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit nicht genannt. Zudem vermittelt die Gliederung einen Eindruck von der Vielfältigkeit der möglichen Lernziele in den drei unterschiedlichen Bereichen. Berücksichtigt man die inhaltlich beschränkte Themenauswahl wird deutlich, welche Chancen kognitiven, affektiven sowie sozialen Lernens durch den Einsatz des Films ‚Der Club der toten Dichter’ im UFP-Unterricht wahrgenommen werden können.

 

Beispiel einer Unterrichtssequenz zum ‘Club der toten Dichter’ (4.4)

 

„Es war eine dunkle, verregnete Nacht,

und die alte Lady, die leidenschaftlich gerne

Puzzles legte, saß mutterseelenallein zu Hause

an ihrem Tisch, um ein Puzzle, das sie neu hatte,

zu beenden. Aber als sie die Teile zusammenfügte,

erkannte sie zu ihrem Erstaunen, daß das Bild,

das sich vor ich formte, ihr eigenes Wohnzimmer

war, und in der Figur, die in der Mitte des Puzzles

dargestellt war, erkannte sie sich selbst, und mit

zitternder Hand legte sie die letzten vier Teile

zusammen und starrte voll Entsetzen in das Antlitz

eines Verrückten am Fenster. Das letzte, was die alte

Dame in ihrem Leben hörte, war eine Fensterscheibe,

die zersprang ...“

Neil Perry     (beim ersten Treffen des Clubs der toten Dichter)

In den folgenden Abschnitten soll ein abschließender kurzer Überblick über die Unterrichtsinhalte und Methoden der einzelnen Bausteine der Unterrichtseinheit gegeben werden. Die in den Abschnitten 4.1 bis 4.3 erarbeiteten Erwägungen wurden in die einzelnen Bausteine eingearbeitet. Die Bausteine können - mit wenigen Ausnahmen - in unterschiedlicher Reihenfolge gruppiert, erweitert oder u. U. auch - je nach Wahl der Zielkomponenten der Unterrichtseinheit - weggelassen werden.

Baustein Nr. 1: Präsentation des Films (4.4.1)

Für diesen Baustein ist ein Zeitaufwand von ca. vier Unterrichtsstunden einzurechnen, wobei die ersten zwei Schulstunden als Doppelstunde angeordnet sein sollten (vgl. 4.1). Zunächst wird der erste Teil des Films im Unterricht gezeigt (bis einschließlich der Szene, in der Neil bei Keating Rat bezüglich des von seinem Vater ausgesprochenen Theaterspielverbots sucht). Dieser Teil dauert ca. 80 Minuten und füllt somit die erste Doppelstunde aus. Als Hausaufgabe sollen die Schülerinnen und Schüler Vermutungen über den Fortgang der Handlung in schriftlicher Form anstellen. Schülerinnen und Schüler, die die Filmhandlung bereits kennen, sollen alternativ ihre Gefühle und ersten Gedanken bezüglich der Handlung in Worte fassen.

In der folgenden Unterrichtsstunde sollen zunächst diese schriftlichen Hausaufgaben kurz ausgewertet und mögliche Filmausgänge antizipiert werden. Es folgt die Präsentation des zweiten Filmteils. Da damit zu rechnen ist, daß der Film bei den Zuschauerinnen und Zuschauern starke emotionale Reaktionen und Betroffenheit auslösen kann, soll die verbleibende Zeit für die Artikulation derselben genutzt werden, beispielsweise anhand folgender Leitfragen:

·      Welche Stellen fandet Ihr besonders spannend?

·      Was hat Euch am meisten bewegt?

·      Haben sich Eure Gefühle im Verlauf der Handlung gewandelt?

Baustein Nr. 2: Filmbetrachtung (4.4.2)

Dieser Baustein dürfte voraussichtlich nicht mehr als ein bis zwei Unterrichtsstunden beanspruchen. Nachdem die Schülerinnen und Schüler ihre Emotionen und Betroffenheit im Unterrichtsgespräch artikuliert haben, soll die Frage anschließen, auf welche Weise diese Gefühle im Film hervorgerufen werden bzw. welche formalen Mittel vom Regisseur eingesetzt werden, um die Handlung zu untermalen. Zunächst sollen im Unterrichtsgespräch Vermutungen dazu geäußert und vom Lehrer an der Tafel gesammelt werden. In einem zweiten Schritt sollen Schlüsselszenen des Films - besonders bezüglich unbewußter Effekte - erneut angeschaut und analysiert werden. Nach einer kurzen Klärung des Begriffs ‚Subtext’ können die Effekte dieser Subtexte (bspw. Subtext Licht, Natur, Raum, Musik, Kameraführung bzw. Perspektive, Intention des Regisseurs) an der Tafel nach Subtexten geordnet festgehalten werden (vgl. 2.2, sowie Schreckenberg 1997). Diese Methode kann auch durch gescannte Standbilder des Films ersetzt bzw. unterstützt werden.

Baustein Nr. 3: Hermeneutische Interpretation von Dialogsequenzen (4.4.3)

Mit Hilfe der Methode der Transkription sollen Dialogsequenzen ausgewählter Filmszenen, in jedem Falle jedoch die Szene, in der Keating Todd von seinen Selbstzweifeln befreit (vgl. 3.3, Text 2), von den Schülerinnen und Schülern in Gruppenarbeit verschriftlicht werden, wobei durch den Vergleich parallel angefertigter Transkriptionen die wesentlichen Charakteristika dieser Methode im Unterrichtsgespräch herausgearbeitet werden sollen (vgl. 4.2.1). Hilfreich wäre bei diesem Arbeitsschritt die Zugriffsmöglichkeit auf mehrere Videorecorder und Exemplare des Films bzw. die Möglichkeit, daß Schülerinnen und Schüler zu Hause eigene Videorecorder in Gruppenarbeit für die Transkriptionen nutzen können. Steht nur ein Videorecorder in der Schule zur Verfügung, sollte die Zahl der zu transkribierenden Filmszenen entsprechend reduziert werden. Während der abwechselnden Transkriptionsphasen können „Wartezeiten“ von den Schülerinnen und Schülern für erste inhaltliche Interpretationen der Szenen genutzt werden. Für diesen Baustein der Unterrichtsreihe sollten zumindest zwei Unterrichtsstunden eingeplant werden.

Baustein Nr. 4: Schüler-Lehrer-Beziehung und Keatings Unterrichtsmethoden (4.4.4)

Die Analyse der Schüler-Lehrer-Beziehung soll anhand eines vertiefenden Unterrichtsgespräches erfolgen: Dabei sollen zunächst Keatings unkonventionelle Unterrichtsmethoden von den Schülerinnen und Schülern gesammelt und bewertet werden. Eigene Erfahrungen mit Unterrichtsmethoden können anhand von Selbstreflexion über das Schulgeschehen mit in die anschließende Diskussion der Unterrichtsmethoden eingebracht werden. Zur Vertiefung soll die transkribierte Szene, in der Keating Todd von seinen Selbstzweifeln befreit (vgl. 3.3 sowie Text 2) ansatzweise einer hermeneutischen Interpretation unterzogen werden, wobei besonders der Aspekt des möglichen Scheiterns seitens Keatings und die möglichen Auswirkungen auf Todds Selbstwertgefühl berücksichtigt werden sollen (vgl. 3.3).

Anschließend sollen die Schüler aus der Perspektive der Eltern zu Keatings Erziehungsmethoden schriftlich Stellung nehmen, indem sie entweder bei Kritik von Keatings Methoden einen Protestbrief an Keating formulieren („Warum wir nicht wünschen, das Sie mit unserem Sohn in Ihrem Unterricht so verfahren.“ (Bosold 1991, S. 7)), bzw. bei Billigung von Keatings Methoden eine Antwort Keatings auf einen derartigen Protestbrief verfassen („Warum ich so gehandelt habe.“ (ebd.)). Bei der folgenden Auswertung dieser Texte im Unterrichtsgespräch sollte der Lehrer auf diesem indirekten Weg auch Eindrücke bezüglich seines eigenen Unterrichtsstils gewinnen können. Es ist jedoch darauf zu achten, daß Keatings Unterrichtsmethoden nicht in zu starkem Maße mit persönlichen Methoden der Lehrerinnen und Lehrer der eigenen Schule verglichen, sondern nur in allgemeiner Form bewertet werden. Für diesen Baustein sollten zwei Unterrichtsstunden einkalkuliert werden.

Baustein Nr. 5: Romantik vs. Realismus (4.4.5)

Durch diesen Baustein soll die Lehrerrolle Keatings sowie die zentrale Problematik des Clubs der toten Dichter weiter vertieft werden.

In einem ersten Schritt sollen anhand der Frage nach dem „guten Lehrer“ Charakteristika der Lehrerpersönlichkeiten im ‚Club der toten Dichter’ erarbeitet und in einem Tafelbild festgehalten werden. Dieses könnte wie in der folgenden Abbildung aussehen:

Abb. 36:  Mögliches Tafelbild zur Ergebnissicherung der Charakteristika
der unterschiedlichen Lehrerpersönlichkeiten des Films am Beispiel
von Rektor Nolan und Keating

In diesem Beispiel wurden die Charakteristika der Lehrerpersönlichkeiten durch den Vergleich der beiden Extremata Keating und Nolan herausgearbeitet (aus: Bosold 1991, S. 5).

In einem zweiten Schritt soll analysiert werden, weshalb Keatings Konzept, seine Lebensphilosophie weiterzugeben, scheiterte. In diesem Zusammenhang sollen besonders die institutionellen Rahmenbedingungen und Gegensätze der Zielvorstellungen der unterschiedlichen Lehrer einfließen. Als Ausgangspunkt sollen die Dialoge zwischen Keating und seinen Schülern nach Charlies „Ausbruch“ (vgl. 3.4, Text 6) sowie zwischen Keating und Rektor Nolan dienen (vgl. 3.4, Text 5). Diese Dialoge sollen mit Hilfe der hermeneutischen Methode interpretiert und diskutiert werden.

Der dritte Schritt besteht aus einer kurzen Textanalyse des folgenden Textauszuges von Baker (o. J.), der unter der Fragestellung gelesen werden soll, inwieweit Bakers Interpretation dem Film gerecht wird und inwieweit er dem Anspruch einer zentralen Interpretationslinie nahekommt.

 

Text 7

 

The opposite of romanticism in this movie is realism. Instead of the idealized vision of life presented in romanticism that was compounded of hopes and feelings, realism tended to be a mimic of life.

 

A brief summary of the terms used:

Romantic (Madman) = one who submits to romanticism, while opposing realism

Anti-romantic romanticist = one who controls one’s passions and submits to realism half the time, while the other half of the time, that individual submits to his passions and controls his realistic tendencies. This person can usually distinguish which is called for in each situation.

Realist (Traditionalist) = one who submits to realism opposing romanticism

 

**NOTE: Because they are opposites, you cannot control one while being submissive to the other. This explains why I believe Todd is the main character, and all other characters are obstacle characters.**

 

 This movie is about the struggle that takes place between the two extremes, and the way that each character deals with it. Neil, Nwanda, and Knox all go overboard into extreme romanticism, while Cameron adamantly stays on the side of realism. Todd is the only one who finds a middle ground between the two, which I’m going to call „anti-romantic romanticism“ for lack of a better term because it is based in romanticism (of feeling and free thinking), but there is also a sense of reality. By the end of the movie, Todd is able to express his passions, but he does not try to live in the ideal world of his imagination like the others do. He does not try to assume for himself an entirely new identity like Puck for Neil; Nwanda for Dalton; or even „Mutt Sander’s brother“ for Knox (at Chris’ party).

 

Also, in this analysis, I’m going to use the point of view that the main character is dynamic while all other characters are just static and obstacle characters that just help emphasize the main character’s change. Obstacle characters are try to pursuade the main character that their way is best and that he should follow their philosophy in order to solve his problem. In this case, I’m going to say that the obstacle characters can be grouped into the Realists and the Romantics. Conceivably, you might be able to make an argument using drama theory to claim that there are other main characters besides Todd, but since the purpose of this page is to deal with romanticism vs. realism, I’m not going to discuss who else could be a main character, rather how each SYMBOLIZES romanticism and realism.

 

Todd is dynamic, he goes from realism to anti romantic romanticism

Neil is always a romantic (madman).

Knox is always a romantic (madman).

Keating is always a romantic although he has learned that he must at least try to incorporate some traditional views into his life in order not to go overboard. Hence, although he is a romantic, he tries to teach the philosophy of the anti romantic romanticist.

Nwanda is always a romantic (madman).

Cameron is always a realist (traditionalist). 

 

Therefore Todd MUST be a (or in my argument, the) main character, he is the only one whose character undergoes a change in the movie. Everyone else is the same as they started. Just because Neil died, that does not count as change, he was essentially a dead man at the beginning of the movie.

 

Also, my interpretation of the character is the overall one - while I do agree that in some instances, they did act in a way different than how I categorized, I meant that given Keating started out being a romantic and the movie ended with him still being a romantic. The school started out being realistic and also ended being realistic. I was contracting the characters to Todd, who started out being a realist and finished being „anti romantic romantic,“ hence a character change. I mean even Nwanda warned Knox about controling himself with Chris, and I would not classify him as anything other than romantic. Those terms are how I would classify each character overall.

Im Unterrichtsgespräch sollen desweiteren Vermutungen über den möglichen Verfasser bzw. die Quelle des Textes (vgl. Text 7) geäußert werden. Abschließend soll die Unsinnigkeit extrem dichotomer Lebenseinstellungen wie Romantik vs. Realismus herausgearbeitet werden.

Je nach Arbeitsgeschwindigkeit der Lerngruppe und Übung mit der Methode der hermeneutischen Textinterpretation sollten für diesen Baustein zwei bis drei Unterrichtsstunden eingerechnet werden.

Baustein Nr. 6: Die ‚Schuldfrage’ (4.4.6)

Bezüglich der Klärung der Frage, wer für Neils Selbstmord verantwortlich gemacht werden kann, sollten die Schülerinnen und Schüler bei Beibehaltung der hier vorgeschlagenen Reihenfolge der Bausteine bereits differenziertes Hintergrundwissen besitzen: Sowohl Keatings Unterrichtsmethoden und Lebensphilosophie wie auch die Ansprüche an Neil seitens seiner Eltern wurden bereits herausgearbeitet. Im Rahmen dieses Bausteins, der eine Doppelstunde abdecken soll, werden diese Vorkenntnisse vertieft und zu einer Synthese zusammengefügt. Methodisch gesehen soll dies in Form der Vorbereitung und Durchführung eines Rollenspiels erfolgen. Gespielt werden soll eine „Gerichtsverhandlung“, bei der Keating auf der Anklagebank sitzt und für den Tod Neils verantwortlich gemacht wird. Diese „Gerichtsverhandlung“ sollte den Regeln und dem Ablauf unseres Rechtssystems nachempfunden sein. Es werden folgende Rollen an die Schülerinnen und Schüler verteilt:

·      Keating

·      Rektor Nolan

·      McAllister

·      Todd

·      Cameron

·      Richter (bzw. Vorsitzender)

·      Keatings Anwälte (mind. 2)

·      Staatsanwälte (mind. 2)

·      ProtokollführerIn

·      Jury (restliche SchülerInnen)

Die Vorbereitung erfolgt durch eine 15 - 20minütige Reflexionsphase, in der die Schülerinnen und Schüler über ihre jeweilige Rolle nachdenken und entsprechende Argumente stichpunktartig festhalten (Staatsanwälte und Anwälte dabei jeweils in Gruppenarbeit). Nach dieser Vorbereitungsphase erfolgt das eigentliche Rollenspiel: die Gerichtsverhandlung. Diese sollte von den Schülerinnen und Schülern frei ausgestaltet werden (Aufrufen und Anhörung von Zeugen, Plädoyer der Anwälte (maximal fünf Minuten pro Seite), etc.). Der Lehrer sollte dabei nur in absoluten Notsituationen (z. B. bei Eskalation) ins Geschehen eingreifen. Vom Protokollführer wird ein kurzes Protokoll der Verhandlung zur Ergebnissicherung erstellt und bis zur nächsten Unterrichtsstunde für alle Schülerinnen und Schüler vervielfältigt. Nach Abschluß der Schlußplädoyers der Anwälte fällt die Jury - bzw. alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam - ein Urteil, wonach Keating entweder freigesprochen oder verurteilt wird. Die letzten 15 bis 20 Minuten der Doppelstunde sollten gemeinsam im Unterrichtsgespräch genutzt werden, um zum einen über das Urteil und zum anderen über die Methode des ‚Rollenspiels als Gerichtsverhandlung’ zu diskutieren.

Baustein Nr. 7: Abschlußdiskussion: Pädagogische Verantwortung als „roter Faden“ im ‚Club der toten Dichter’ (4.4.7)

Im Rahmen dieses letzten Bausteins soll eine Abschlußdiskussion bezüglich des ‚Clubs der toten Dichter’ erfolgen. Inhaltlich kann sich diese am „roten Faden“ der pädagogischen Verantwortung orientieren (wie beispielsweise in Abschnitt 3.5). Es sind jedoch auch viele andere inhaltliche wie methodische Formen bezüglich einer Abschlußdiskussion denkbar, die an dieser Stelle nicht weiter geplant werden können, zumal sich je nach Durchführung, Zusammenstellung und Ergänzung der einzelnen Bausteine wie auch je nach Zeiteinsatz bei der Durchführung der Unterrichtsreihe zum ‚Club der toten Dichter’ höchst unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte ergeben können. In der Abschlußdiskussion sollte ein Weg gefunden werden, zu einer Synthese bezüglich der Unterrichtseinheit zu gelangen. Je nach inhaltlichen Schwerpunkten sollten für diesen Baustein nicht mehr als ein bis zwei Schulstunden investiert werden.


Zusammenfassung und Resümee (5)

 

Kommt, meine Freude, 

noch ist es nicht zu spät, eine neue Welt zu suchen,

denn ich will weiter segeln, 

über den Sonnenuntergang hinaus,

und obwohl wir nicht mehr die Kraft besitzen,

die in alten Tagen Himmel und Erde bewegte,

sind wir dennoch, was wir sind;

noch immer sind wir Helden, deren Herzen

im Gleichklang schlagen,

zwar schwächt das Schicksal uns von Zeit zu Zeit,

doch stark ist unser Wille zu streben, zu suchen,

zu finden, und nicht zu verzagen.

Alfred Lord Tennyson    (gekürzt, aus: ‚Ulysses’)

Nach der Fülle der in dieser Hausarbeit präsentierten Fakten und Perspektiven fällt ein abschließendes Fazit nicht leicht.

Herauszustellen ist jedoch, daß der Film ‚Der Club der toten Dichter’ an sich nicht nur - besonders in der deutschen Fassung – sehenswert ist, sondern durch die ganzheitliche Komposition der Inhalte, Dialoge, Bilder und Musik eine Art „Kunstwerk“ darstellt, wozu nicht zuletzt die glänzende schauspielerische Leistung von Robin Williams als Lehrer John Keating einen großen Beitrag liefert.

Im Film wird eine Fülle von inhaltlichen Themen präsentiert, von denen sich die meisten aus pädagogischer Sicht beleuchten und analysieren lassen und somit für den Einsatz in pädagogischen Unterrichtsfeldern - wie dem Unterricht im Schulfach Pädagogik oder der Lehrerausbildung - prädestiniert sind (vgl. 2.1 - 2.4). Als besonders geeignet erweist sich die inhaltliche Analyse dieser Themen unter der Leitperspektive der pädagogischen Verantwortung, die sich gleich einem „roten Faden“ durch den gesamten „Inhaltsstrang“ des Films zieht (vgl. 2.5). Zur Analyse des Films erweisen sich qualitative Methoden wie beispielsweise die medienpädagogische Filmbetrachtung sowie die Transkription und anschließende hermeneutische Interpretation von Dialogsequenzen als besonders gewinnbringend. Sie sind zudem ohne viele Vorkenntnisse auch im Schulunterricht zu bewerkstelligen.

Die Entwicklung einer Unterrichtseinheit (vgl. Abschnitt 4) auf der Basis des Films ‚Der Club der toten Dichter’ hat die besonderen Chancen des Filmeinsatzes im UFP-Unterricht aufgezeigt: Die entwickelte Unterrichtseinheit läßt sich in vortrefflicher Weise fast jedem Kurshalbjahresschwerpunkt thematisch zuordnen. Sie ist - bei didaktischer Berücksichtigung der Vor- und Nachteile - als Einführungs-, Vertiefungs- oder Wiederholungsthema geeignet und ermöglicht Rückgriffe im Sinne des spiralförmigen Aufbaus des Curriculums. Der Einsatz des Films im UFP-Unterricht erleichtert das Erreichen speziell geforderter und z. T. in höchsten Tönen gelobter, fachdidaktischer Lernziele wie Selbstreflexion, Auslösung von Betroffenheit bei den Schülerinnen und Schülern sowie Erziehung zu Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung.

Dem steht als einziger negativer Punkt die Gefahr gegenüber, daß die Schülerinnen und Schüler durch zu häufigen Rückgriff auf den Film oder zu eingehende Beschäftigung mit dem Film „übersättigt“ werden, mit der Folge, daß sich Langeweile und Desinteresse einstellen können. Nach Abwägung dieses Kritikpunktes überwiegen jedoch deutlich die Argumente für den Einsatz des Films im Unterricht: Die entwickelte Unterrichtseinheit zeigt neben den vielen, fachdidaktischen Anknüpfungspunkten viele Möglichkeiten auf, differenzierte inhaltliche Bereiche mit einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden, wie beispielsweise Textinterpretation, Transkription und Filmbetrachtung, sowie unterschiedlichen Sozialformen, wie beispielsweise Arbeit im Plenum, Gruppenarbeit und Rollenspiel, sinnvoll zu verknüpfen. Mit anderen Worten: Der Einsatz des Films im UFP-Unterricht eröffnet eine große Zahl von Chancen und Möglichkeiten.

Es kommt hinzu, daß der Film - trotz seines fiktiven Charakters - allein durch die eingestreute Lyrik und die eingebundene Lebensphilosophie des ‚Carpe diem’ bei Schülerinnen und Schülern wie auch Lehrerinnen und Lehrern einen bleibenden Eindruck hinterläßt (vgl. bspw. das Zitat von Frost zu Beginn von Abschnitt 3.4) und sich somit als lehrreich und erkenntnisgewinnbringend darstellt.

Abschließend bleibt zu hoffen, daß die Chancen des Einsatzes dieses Films im Unterricht von vielen Pädagogiklehrerinnen und Pädagogiklehrern entdeckt und genutzt werden, so daß der Film nicht so schnell in Vergessenheit gerät.

 

Literaturverzeichnis (6)

Baker, K.: Dead Poets Society. the Death of a Romantic, Internet: : http://www.deliriumsrealm.com/delirium/movies/dps.asp

Bosold, B.: Du lebst nur einmal. – Nutze den Tag! Materialien und Vorschläge für eine Unterrichtseinheit über den Film „Der Club der toten Dichter“ in den Klassen 9 und 10, In: Materialbrief Religionsunterricht, Heft 3/ 1991

Combe, A./ Helsper, W.: Was geschieht im Klassenzimmer? Perspektiven einer hermeneutischen Schul- und Unterrichtsforschung. Zur Konzeptualisierung der Pädagogik als Handlungstheorie, Weinheim 1994

Deutscher Bildungsrat: Empfehlungen der Bildungskommission: Strukturplan für das Bildungswesen, Stuttgart 1970

Fried, H.: Auf die Perspektive kommt es an! Der Film „Der Club der toten Dichter“ – vielschichtiges und aufrührendes Thema für den Unterricht, In: Praxis Schule 5 – 10, Heft 6/ 1992, S. 52 – 53

Glatthorn, A. A.: Dead Poets: Live Issues, In: English Journal, Vol. 79 No. 5, September 1990, pp. 83 – 84

Heilker, P.: The Bi-Polar Mind and the Inadequacy of oppositional Pedagogies (or the Dead Poets Society revisited), In: Freshman-English-News, Vol. 19 No. 3/ 1991, pp. 5 – 9

Heilman, R. B.: The Great-Teacher Myth, In: American Scholar, Vol. 60 No. 3/ 1991, pp. 417 – 423

Kleinbaum, N. H.: Dead Poets Society. A novel. Based on the motion picture written by Tom Schulman, New York; Toronto; London; Sydney; Auckland 1989

Kleinbaum, N. H.: Der Club der toten Dichter. Erzählung nach dem Touchstone-Film ‚Der Club der toten Dichter’, 10. Aufl., Bergisch Gladbach 1991

Koch, F.: Der Club der toten Dichter. Anmerkungen zu einem „Schulfilm“, In: Pädagogik, Heft 11/ 1990, S. 56 - 57

Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Richtlinien Erziehungswissenschaft für die gymnasiale Oberstufe, Frechen 1981

N.N.: Dead Poets Society, Internet: http://www10.pair.com/crazydv/weir/dps/, o.J.

Schreckenberg, E.: Filme sehen und verstehen: z.B. ‚Der Club der toten Dichter’, In: Brinkmöller-Becker, H. (Hrsg.): Die Fundgrube für Medienerziehung in der Sekundarstufe I und II, Berlin 1997, S. 99 – 108

Serey, T. T.: Carpe Diem: Lessons about Life and Management from ‚Dead Poets Society’, In: Journal of Management Education, Vol. 16 No. 3, August 1992, pp. 374 – 381

Thal, O.: Frei sein für sich selbst. Der Club der toten Dichter (Dead Poets Society), In: merz. Medien + Erziehung, 34. Jg., Heft 3/ 1990, S. 164 – 168

Vogel, P.: ‚Betroffenheit’ und ‚Selbstreflexion’ – Aufgabe oder Behinderung des Pädagogikunterrichts?, In: Pädagogikunterricht, Heft 4/ 1992

 

© 1997 Michael Lenz

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