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Kritik der Biosoziologie (Promp) |
Kapitel 2 |
Kapitel 3-5 |
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Vorstellung des biosoziologischen Ansatzes nach Promp (2)
Anthropologische Grundlagen (2.1)
Promp geht zunächst davon aus, daß "allen Sozialisationskonzepten und -theorien anthropologische Prämissen zugrunde" liegen (Promp, 1990, S.12; in Anlehnung an Griese, 1976, S.15). Da jedoch die philosophische Anthropologie, die mit Namen wie Herder, Gehlen oder Portmann verbunden ist, "praktisch den biologischen Kenntnisstand der 40er Jahre konserviert" (Promp, 1990, S.15), fordert Promp eine naturwissenschaftliche Anthropologie, die sich an den neusten biologischen Erkenntnissen orientiert (vgl. ebd., S.15 f. und S.34). Zunächst stellt Promp jedoch die Grundannahmen der philosophischen Anthropologie in der Form von zehn anthropologischen Kriterien dar, wobei er sich auf die "Pädagogische Soziologie - begründet von Carl Weiß" in der Neufassung von Eggers und Steinbacher stützt (Eggers u. Steinbacher, 1979). Demnach sei der Mensch durch "Unspezialisiertheit", "Instinktarmut" und "Weltoffenheit" charakterisiert. Er sei eigentlich als "physiologische Frühgeburt" zu bezeichnen, da er ein "extrauterines Frühjahr" durchzustehen habe. Außerdem sei er gekennzeichnet durch "Imaginationsfähigkeit", "Kultursprache", "Einsicht in Zweck-Mittel-Zusammenhänge" und "Kunst". Aus seiner "Unfestgelegtheit" ergebe sich weiterhin ein Angewiesensein auf Sozialisation und Erziehung (vgl. Promp, 1990, S.15-21). Promp schildert jedoch nicht nur diese anthropologischen Kriterien, sondern setzt sich mit jedem einzelnen "Axiom" der philosophischen Anthropologie argumentativ auseinander und stellt einigen Kriterien neuere biologische Lehrmeinungen gegenüber, wie zum Beispiel der These, der Mensch sei ein "sekundärer Nesthocker" die Bezeichnung des Menschen als "ehemaligen Tragling" (vgl. ebd., S. 18). Durch die kritische Auseinandersetzung mit der philosophischen Anthropologie ergibt sich für Promp die
"Notwendigkeit (...), durch den Rückgriff auf die neueren Erkenntnisse der Verhaltensbiologie die anthropologische Begründung des Sozialisationsphänomens in eine dem derzeitigen Forschungsstand angemessene Form zu bringen." (ebd., S.34).
Zusammenfassend läßt sich also festhalten, daß sich Promp durch die Auseinandersetzung mit der philosophischen Anthropologie für seinen eigenen Sozialisationsansatz anthropologische Grundlagen schafft, die der Forderung nach einer naturwissenschaftlich ausgerichteten Anthropologie eher entsprechen.
An dieser Stelle soll mit der Beschreibung des Ansatzes von Promp kurz eingehalten werden, um auf einige grundsätzliche Fragen hinzuweisen:
Da die anthropologischen Prämissen, die Promp aufstellt, die Grundlage für seinen Sozialisationsansatz bilden, ist zunächst zu fragen, inwieweit die philosophische Anthropologie heute wirklich als "nicht mehr zeitgemäß" gilt. An dieser Stelle sei auf Rudolf Hernegger verwiesen, der als Vertreter einer evolutionären Anthropologie zu folgendem Schluß kommt:
"Viele Jahre galten die von Gehlen eingeführten Begriffe 'Instinktentlastung', 'Mängelwesen', 'offenes unspezialisiertes Wesen', als Schlüsselbegriffe der Anthropologie. Inzwischen wird allgemein anerkannt, daß die Instinktentlastung kein spezifisches Kennzeichen des Menschen ist und daß ihre komplementäre Ergänzung nicht in einer unspezialisierten Offenheit, sondern in der Disposition zu neuen Lernstrategien besteht." (Hernegger, 1989, S.12). [1]
Hernegger sieht die philosophische Anthropologie also auch sehr kritisch und hält sie, wie auch Promp, für nicht mehr zeitgemäß. [2] Er gibt jedoch zugleich zu denken, daß "bei der heutigen Explosion des Wissens (...) es für den einzelnen immer schwerer (wird), den neuesten Forschungsstand in allen Disziplinen zu überblicken, die sich mit einem Aspekt oder Teilgebiet des Systems 'Mensch' beschäftigen" (Hernegger, 1989, S.30). [3] Vor dieser Tatsache sowie vor dem Prozeß der zuweilen sehr schnellen Ablösung älterer durch neuere Erkenntnisse bleibt natürlich auch Promps Konzept nicht verschont.
Es läßt sich also feststellen, daß Promps Kritik an der philosophischen Anthropologie durchaus als berechtigt anzusehen ist. Allerdings kann man bei Promp keinen direkten Hinweis darauf finden, daß auch andere Autoren oder sogar anthropologische Richtungen die philosophische Anthropologie ebenfalls stark kritisieren.
In Hinblick auf die oben genannte Wissensexpansion in den Humanwissenschaften wird jedoch später noch zu beurteilen sein, inwieweit Promp bei seinem Versuch, eine Sozialisationstheorie auf soziobiologischer Basis zu erstellen, auf Grund der Informationsfülle zu Reduktionen gezwungen wird.
Ebenso wird zu fragen sein, ob sich aus diesen anthropologischen Grundsätzen ein biosoziologischer Ansatz zwangsläufig ergibt, oder ob diese nicht auch mit anderen Sozialisationstheorien koppelbar sind.
Grundannahmen der Biosoziologie (2.2)
Nachdem im vorangehenden Punkt die anthropologischen Grundlagen des biosoziologischen Ansatzes vorgestellt worden sind, sollen an dieser Stelle noch einige weitere Grundannahmen genannt werden, bevor das biosoziologische Konzept in seinen Einzelheiten behandelt wird.
Promp knüpft mit seinem Verständnis von Sozialisation eng an Hurrelmann an und geht zunächst von einem "weitgefaßten Begriff für den Prozeß der Vergesellschaftung der menschlichen Natur" aus (Hurrelmann, 1976, S.15 f.), der sowohl "Erziehung im weitesten Sinn", die Persönlichkeitsentwicklung des Individuums und die "Vermittlung von gesellschaftlichen Normen und Handlungsmustern" (ebd.) einbezieht und somit "Vergesellschaftung und Individuierung gleichermaßen umfaßt" (Mühlbauer, 1980, S.25). Desweiteren bezeichnet Promp seine Betrachtung von Sozialisation als "biosoziologisch", um Verwechslungen mit der philosophischen Anthropologie auszuschließen. Seine "Soziologie, die aus dieser Perspektive betrieben wird, (bezeichnet er als) Biosoziologie (...)" (Promp, 1990, S.22), da dieser Begriff bisher nicht klar definiert und nur selten gebraucht wurde. Zu den biosoziologischen Grundannahmen gehört, daß "die menschliche Spezies (...) als Teil der belebten Natur auf dem Wege natürlicher Entwicklung entstanden (ist)" (ebd.; Hervorhebung durch M.L.) und "(n)ach den Erkenntnissen der Biologie (...) allgemeine und spezielle biologische Gesetzmäßigkeiten auch für die Spezies Mensch als gültig anzunehmen (sind)" (ebd.; Hervorhebung durch M.L.).
Weiterhin geht Promp in Anlehnung an Koestler von einer geschachtelten bzw. hierarchischen Realität aus, die aus offenen hierarchischen Systemen (OHS) besteht, die allesamt Subsysteme des Gesamtsystems 'Kosmos' sind und deren niedrigste Ebene im subatomaren Bereich anzusiedeln ist (vgl. Koestler, 1978). Im Vergleich zu sozialen Systemen mit der institutionellen Ebene über dem Individuum wäre in OHS das Ökosystem als sich selbst regulierendes System die nächsthöhere Ebene für den Organismus. In diesem Ökosystem existieren Beziehungen der Organismen, die ideelle soziale Systeme hervorbringen können, untereinander (entspricht dem sozialen System), sowie Beziehungen der Spezies zur physischen Umwelt (vgl. Promp, 1990, S.25 ff.). Somit läßt sich der Mensch "als Schnittpunkt zwischen holarchischem und sozialem System bezeichnen (...)" (ebd., S.28).
Als weitere Annahme versucht Promp, über die theoretische Betrachtung von Homologien und Analogien zu zeigen, daß durch das Zusammenwirken von interkulturellen Vergleichen beim Menschen und zwischenartlichen Vergleichen im Tierreich (bzw. Tier-Mensch-Vergleichen) durchaus "Generalisierungen biologischer Verhaltensgesetzmäßigkeiten" (ebd., S.31) möglich sind. Über derartige Artenvergleiche ließe sich nach Promps Ansicht anscheinend auf das menschliche Verhalten bzw. die menschliche Natur schließen (vgl. ebd., S.29-32). Aus dieser Argumentation, die an dieser Stelle auf Grund ihrer Komplexität nicht näher dargelegt werden soll, rechtfertigt Promp seine Betrachtung der Erkenntnisse der Ethologie und deren Auswertung für sein Konzept.
Den wohl schwerwiegendsten Einwand gegen diese biosoziologischen Grundannahmen versucht Promp schon zu Beginn seiner Ausführungen selbst zu widerlegen: Es handelt sich dabei um die Frage, ob wirklich alle allgemeinen biologischen Gesetzmäßigkeiten für den Menschen gelten, oder ob der Mensch eine Art Sonderschöpfung darstellt. Promp argumentiert an dieser Stelle folgendermaßen:
"Soll der Mensch eine Sonderschöpfung sein, dann muß man zeigen können, daß er auf keinen Fall das Produkt stammesgeschichtlicher Entwicklung ist oder daß Evolution nicht stattgefunden haben kann. Nun sind aber die Übereinstimmungen mit bestimmten anderen Arten von Lebewesen groß. Aufgrund dieser Übereinstimmungen wird er in der Biologie nach immer spezielleren Gemeinsamkeiten als tierischer Organismus, als Wirbeltier, Säugetier, Primat und Hominoide klassifiziert. Erst auf der Ebene der Gattung (Homo, mit einer einzigen rezenten Art: Homo sapiens) tritt uns das spezifisch Menschliche entgegen." (ebd., S.23).
Somit wird der Mensch sowohl als Lebewesen als auch als stammesgeschichtlich aus anderen Arten hervorgegangen bezeichnet. Die letzte Möglichkeit, daß der Mensch eine Sonderstellung in der Stammesgeschichte innehaben könnte, soll allerdings etwas eingehender betrachtet werden. Nach Promps Argumentation müßten in diesem Fall bestimmte Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt sein, die z.B. für andere Wirbeltiere gelten. Promp führt an, daß ein derartiger Nachweis noch nicht erbracht werden konnte (vgl. ebd., S.24). Sollte jedoch
"mit Sonderstellung aber gemeint (sein), für den Menschen seien alle biologischen Gesetzlichkeiten gültig, die für seinen Stamm gefunden wurden, darüber hinaus aber noch spezielle gattungs- bzw. artspezifische, dann ist aus biologischer Sicht nichts dagegen einzuwenden. In diesem Sinn hat praktisch jede Spezies eine Sonderstellung dadurch inne, daß sie sich von anderen Arten derselben Gattung unterscheidet." (ebd., Hervorhebung im Original).
Aus dieser Argumentation ergibt sich für Promp, daß "(...) der Mensch als Produkt der stammesgeschichtlichen Evolution erscheint, das in der zoologischen Systematik seinen Ort hat" (ebd., S.25).
An dieser Stelle stellt sich ein weiteres grundlegendes Problem des biosoziologischen Ansatzes von Promp: Es gelingt Promp zwar, drei mögliche Hypothesen über eine Sonderstellung des Menschen zu widerlegen. Allerdings stellt sich hier trotzdem die Frage, ob damit nicht eine Möglichkeit stillschweigend übergangen wurde: Es wäre doch zumindest denkbar, daß die spezielle artspezifische Entwicklung des Menschen sich soweit von seinen nächsten Verwandten, den Primaten, entfernt hat, daß doch bestimmte biologische Gesetzmäßigkeiten für ihn nicht gültig sind, die für andere Säugetiere oder auch für Primaten gültig sind. In diesem Falle hätte der Mensch eine besonders weitgehende evolutionäre Entwicklung hinter sich gebracht. Betrachtet man die Entwicklungen, die im Laufe der stammesgeschichtlichen Entwicklung im Bereich des Tier-Mensch-Übergangsfeldes [4] eine Rolle spielen, so läßt sich feststellen, daß diesen Entwicklungen zum Teil immense Bedeutung zukommt (z.B. der Ausdifferenzierung des Gehirns oder der Entstehung der Sprache). Vor diesem Hintergrund läßt sich feststellen, daß die Menschwerdung ein sehr komplexer Prozeß ist, in dessen Verlauf sich viele, für uns noch nicht annähernd nachvollziehbare Entwicklungen ergeben haben können. [5] An dieser Stelle läßt sich außerdem schon andeuten, daß auch Tier-Mensch-Vergleiche durchaus in Frage gestellt werden können, solange man noch nicht einmal mit völliger Gewißheit die Unterschiede zwischen Tier und Mensch identifizieren kann.
Als Fazit läßt sich auch hier festhalten, daß die Grundlagen des biosoziologischen Ansatzes in bestimmten Punkten durchaus in Frage gestellt werden können.
Sozialisation als ontogenetischer Prozeß (2.3)
Für eine weitere Diskussion ist es an dieser Stelle angebracht, zunächst tiefer in das Theoriegebäude des biosoziologischen Konzeptes einzuführen: [6] Als Grundlage für die Auswahl noch folgender biologischer Modelle weist Promp argumentativ nach, daß auch beim Menschen im Laufe der Stammesgeschichte Verhaltensmerkmale durch Selektion ausgelesen werden. Dies geschieht ganz im Sinne der Selektionstheorie Darwins [7]:
"Kann der Organismus in seiner Umwelt überleben und pflanzt er sich fort, dann bleiben die Gene, die sein Nervensystem aufgebaut haben, in der nächsten Generation erhalten." (Promp, 1990, S.36)
Um dies zu ermöglichen, besitzt der Mensch nach Promp eine Biogrammatik [8], die als System von epigenetischen Regeln [9] "in den stammesgeschichtlich älteren Hirnteilen codiert ist" (ebd., S.42). Trotzt der stammesgeschichtlich bedeutenden Weiterentwicklung des Neocortex, des Großhirns, sind diese "stammesgeschichtlich älteren Strukturen auch beim Menschen voll funktionsfähig vorhanden (...)" (ebd., S.46), so daß "(d)as tatsächliche Verhalten eines jeden Menschen (...) immer auf einer integrierten Gesamtleistung seines Gehirns (beruht)" (ebd., Hervorhebung durch Promp). Über die Betrachtung des ethologischen Instinktbegriffes gelangt Promp zur Beschreibung hierarchisch geordneter Instinkte (vgl. ebd., S.50-52). Verlieren solche hierarchischen Ordnungen ihre strenge Linearität, so daß auch Teilakte von Instinkthandlungen ablaufen können, entsteht ein Netzwerk, das aus Relativen Stimmungshierarchien besteht [10] (vgl. ebd., S.52-54). Dieses "arttypische Steuersystem, das in Form 'Relativer Stimmungshierarchien' eine große Zahl möglicher Konkretionen des Verhaltens zuläßt, legt sich je individuell auf eine gruppenspezifische und umweltangemessene Auswahl konkreter Verhaltensmuster fest. (...) Entscheidend wichtig ist, daß das System der 'Relativen Stimmungshierarchien' nicht festgelegt wird, sondern dies eine Eigenleistung des Systems darstellt (...)" (ebd., S.82, Hervorhebungen durch Promp) [11]. Aus der Erkenntnis, das sich "im Laufe der Ontogenese (dieses) Steuersystem (des menschlichen Verhaltens, M.L.) durch spezifische Erfahrungen selbst zu 'justieren scheint' (ebd., S.81; Satzbau verändert), und daß das System der Relativen Stimmungshierarchien "mehrmals im Verlaufe der Ontogenese (Gleichgewichtszustände) erreicht (...)" (ebd., S.91) und auch wieder aufgibt, entwickelt Promp ein Modell der ontogenetischen Entwicklung, das er nach entwicklungspsychologischem Vorbild in sechs 'Reifephasen' einteilt. Dabei gibt es nach Promp Organisationsphasen und Konsolidierungsphasen [12] (vgl. ebd., S. 92).
In der ersten Organisationsphase nach der Geburt, der 'Säuglingszeit', ist die endogene Entwicklung des Kindes unter anderem durch Brustsuchen, Saugen, Lächeln, Sprachbeginn, Entwicklung der Fortbewegung und Schließmuskelkontrolle gekennzeichnet, wobei gleichzeitig von der Umwelt das Vorhandensein von Nahrung, Wärme, Ansprache und Zuwendung einer 'Dauerpflegeperson' als exogenes Angebot erwartet wird (vgl. ebd., S.110, Abb.13). Die folgende Konsolidierungsphase, die dem Kleinkindalter entspricht, wird auch als 'Spielalter' bezeichnet:
"Da das Kleinkind in dieser Phase weitgehend von biologischen Ernstvollzügen entlastet ist, kann es im spielerischen Umgang mit den natürlichen Elementen seiner Umwelt (...) mehr lernen als es zum unmittelbaren Lebensvollzug benötigt. (...) Hier hat der Organismus demgegenüber Zeit und Muße, in Form 'Relativer Stimmungshierarchien' neue Verhaltens- und Erfahrensmuster in bezug auf seine Umweltsituation aufzubauen." (ebd., S.96)
Die darauf folgende zweite Organisationsphase (Erster Gestaltwandel) ist gekennzeichnet durch Entwöhnung, eine Änderung des äußeren Erscheinungsbildes, dem beginnenden Zahnwechsel, mehr Selbständigkeit des Kindes und einer Störung des seelischen Gleichgewichts als Folge der Entwöhnung von der Mutter (vgl. ebd., S.98). Als Organisationsphase ist dieser Erste Gestaltwandel dadurch gekennzeichnet, daß "(w)ieder (...) neue Antriebe in das System der bestehenden integriert werden (müssen), wieder (...) neue Wahrnehmungsschablonen auf(treten), die die Umwelt in neuem Licht erscheinen und neue Inhalte und Zusammenhänge erfahrbar und erlebbar werden lassen" (ebd.). In der folgenden Konsolidierungsphase der 'Späten Kindheit' hat sich das exogene Angebot vom familiären Umfeld auf Peers, Lehrer, etc. ausgeweitet. Auf der Seite der endogenen Entwicklung zeichnet sich diese Phase durch Wissenserwerb und neue kognitive Strukturen aus. Die vorletzte Phase der 'Pubertät' wird "als die wohl tiefgreifendste Umorganisation der 'charakterbildenden Verspannungssysteme' angesehen" (ebd., S.101), die als letzte Organisationsphase durch eine Erweiterung der anzueignenden Umwelt auf Großgruppen des Ökosystems sowie durch 'Suche nach Vorbildern' und eine 'ausgesprochene Vorurteilsbereitschaft' gekennzeichnet ist (vgl. ebd., S.100). Den Abschluß dieses ontogenetischen Entwicklungsprozesses bildet die Konsolidierungsphase der 'Adoleszenz', in der die phasenweise zunehmende Selbständigkeit ihren Abschluß findet, und in der das Individuum die wirtschaftliche Basis für die Fortpflanzung erlangen soll (vgl. ebd., S.110, Abb.13). Abschließend weist Promp im Vergleich mit einem Wechselwirkungsmodell noch einmal darauf hin,
"daß 'Faktor A' (der Anlage-Faktor in Promps Modell im Gegensatz zum Umwelt-Faktor, M.L.) nicht als statische genetische Anlage oder auch nur statisches angeborenes Antriebssystem aufzufassen ist, sondern als ein ontogenetisch nach epigenetischen Regeln sich in 'Relative Stimmungshierarchien' ausfaltendes Antriebssystem, das aufgrund seiner Beschaffenheit von sich aus die Ausrichtung an der vorgefundenen Umwelt erstrebt und betreibt." (ebd., S.114, Hervorhebung durch Promp)
Nach dieser Vorstellung des biosoziologischen Sozialisationsansatzes von Detlef Promp soll im folgenden Abschnitt der Versuch unternommen werden, zunächst auf grundsätzliche Kritikpunkte des Konzeptes hinzuweisen.