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Kritik der Biosoziologie (Promp) - Anmerkungen, Literautur

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Kritik der Biosoziologie (Promp)
Kapitel 2
Kapitel 3-5
Kapitel 6-7
Anmerkungen, Literautur
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Anmerkungen

[1] Vgl. auch Hernegger, 1989, S.30: "Gehlen, Portmann und viele andere, die die Evolutionstheorie mehr oder weniger ablehnten, taten sich schwer, die Entstehung des Menschen zu erklären. Die evolutionäre Anthropologie hingegen ist heute in der Lage, eine plausible Erklärung von der Entstehung des Menschen zu geben, die nicht im Gegensatz zu den übrigen Wissenschaften steht, sondern als interdisziplinäre Wissenschaft von ihnen gestützt und untermauert wird."

[2] An dieser Stelle soll erwähnt werden, daß es anscheinend auch heute noch notwendig ist, immer wieder auf kritische und nicht mehr zeitgemäße Punkte der philosophischen Anthropologie hinzuweisen: So argumentieren auch heute noch A.u.R. Kaiser im "Studienbuch Pädagogik", das mittlerweile die 6. Auflage erreicht hat, immer noch mit den gleichen Begriffen der philosophischen Anthropologie, wenn es um die Begründung der Erziehungsbedürftigkeit des Menschen geht, und erwähnen kritische Punkte dieser Anthropologie mit keinem Wort - trotz eines Unterthemas 'Anthropologie und Verhaltensforschung' -, sondern nehmen im Gegenteil sogar noch Begriffe wie 'Mängelwesen' in eine Lerntafel am Kapitelende auf (vgl. A.u.R. Kaiser, 1991, S. 18-23, 30-37).

[3] So gibt Hernegger folgende Disziplinen als Beipiele an: "Psychologie, Entwicklungspsychologie, Ethnologie, Sozialpsychologie, Mythenforschung, Religionswissenschaft, Vor- und Frühgeschichte, Archäologie, Paläontologie, Primatologie, Vergleichende Verhaltensforschung, Neurophysiologie, Sinnesphysiologie, Neurobiologie, Neuropsychologie, Vergleichende Anatomie" (Hernegger, 1989, S. 30).

[4] Als Tier-Mensch-Übergangsfeld (TMÜ) wird "(d)ie Zeit des Übergangs von der Werkzeugbenutzung zur Werkzeugherstellung bezeichnet (...)" (W. Miram u.a., 1988, S.432). Zum TMÜ werden heute meist die Menschenaffen (Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse) sowie die Australopithecinen gerechnet.

[5] An dieser Stelle soll, um diese Komplexität aufzuzeigen, auf eine biologische Theorie zur Menschwerdung eingegangen werden, auf die sich Donald Johanson in seinem Buch 'Lucy - Die Anfänge der Menschheit' bezieht. Johanson wiederum beruft sich auf einen Vortrag des Bewegungsanatomen C. Owen Lovejoy. Nach Lovejoy entwickelte sich der aufrechte Gang des Menschen im Rahmen einer Entwicklung, bei der sich acht Faktoren durch gegenseitige Rückkopplungsprozesse beeinflußten. Diese Faktoren waren die Entstehung der elterlichen Fürsorge, die Entwicklung der Intelligenz und somit auch die Entwicklung des Gehirns, die Reduzierung der Zahl der Nachkommen, die Verlängerung der Kindheit, die Entwicklung des Spiels, die Bildung von Gruppen und die Entwicklung des sozialen Verhaltens (vgl. Johanson, 1989, S.383-425). Nimmt man zu diesen, sich wechselseitig beeinflussenden Faktoren noch die Sprachentwicklung, Werkzeugentwicklung, Entwicklung der Monogamie und Arbeitsteilung hinzu, dürfte einsehbar sein, daß die Menschwerdung eine hochkomplexe Entwicklung war.

[6] Auf Grund der immensen Komplexität des Ansatzes wird es jedoch an dieser Stelle nötig, sich ganz auf die Hauptthesen Promps zu konzentrieren.

[7] "Schon Darwin hat die Ansicht vertreten, daß es individuell invariable, artkennzeichnende Verhaltensweisen gibt, die genau wie Organe vererbt werden und genau wie diese der natürlichen Zuchtwahl unterliegen" (Darwin, 1967, S.337 ff.).

[8] Promp versteht unter 'Biogrammatik' "das universelle Muster (...), nach dem menschliches Zusammenleben sich trotz aller kulturellen Unterschiede regelt und das letztlich im Erbgut der Art Homo sapiens verankert ist" (Promp, 1990, S.41).

[9] Epigenetische Regeln "beschreiben die Prinzipien, nach denen die Sprache des Verhaltens funktioniert, auch wenn sie nicht mit Sicherheit vorherbestimmen können, wie sich ein Individuum im Einzelfall verhält" (ebd.).

[10] Da eine ausführliche Behandlung der Instinktmodelle der Ethologie den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, kann an dieser Stelle nicht näher auf diesen Sachverhalt eingegangen werden.

[11] Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich Promp auch eingehend mit 'Intelligenz' und 'Lernen', worauf ebenfalls an dieser Stelle nur hingewiesen werden kann.

[12] Eine Konsolidierungsphase "ist durch bloßes Wachstum gekennzeichnet und dauert bis zur nächsten dramatischen Umorganisation (also bis zur nächsten Organisationsphase, M.L.)" (Promp, 1990, S.92).

[13] So ist z.B. das Modell der Instinkthierarchie am Fortpflanzungsverhalten des männlichen Stichlings untersucht worden (vgl. Promp, 1990, S.49).

[14] So ist zunächst auch nicht immer klar zu unterscheiden, wann Promp in konkreten Situationen von tierischem und wann von menschlichem Verhalten ausgeht: Als Beispiel für derartig unklare Textstellen soll hier die Darstellung einfacher Lernvorgänge dienen (ebd., S.66).

[15] Dies wird besonders im zweiten Kapitel seines Ansatzes deutlich, in dem sich Promp auf Erkenntnisse der Soziobiologie, Neurobiologie und Ethologie stützt (vgl. ebd., S.35-52).

[16] Selbst wenn man Promp zugute hielte, daß sich diese Textstelle ausschließlich auf die stammesgeschichtliche Entwicklung vom Primaten zum Menschen bezöge, so muß man doch anmerken, daß Lovejoy, der sich auch mit diesem "Übergangszustand" auseinandergesetzt hat, bereits erkannt hat, daß wohl auch Liebe in der Partnerwahl eine grundsätzliche Rolle spielt (vgl. Johanson, 1989, S.418).

[17] Widersprüchlich dazu jedoch: "Im Sozialisationsprozeß stellt sich das menschliche Verhaltenssystem auf die ökologischen Bedingungen, die es vorfindet, so ein, daß der Mensch in seiner Umwelt (...) lebensfähig bleibt und fortpflanzungsfähig wird." (Promp, 1990, S.107)

[18] Es untergliedert den Sozialisationsprozeß in vier Ebenen: Auf dem untersten Level befindet sich das Individuum, auf dem nächsthöheren die Interaktionen und Tätigkeiten (zusammen als Mikroebene des Sozialisationsprozesses bezeichnet). Darüber bilden die Institutionen und die Gesamtgesellschaft als höchste Instanz die Makroebene (vgl. Tillmann, 1989, S.17, Abb.1).

[19] Besonders deutlich wird dies an der schematischen Übersicht über den ontogenetischen Sozialisationsprozeß (vgl. Promp, 1990, S.110, Abb.13) oder den Selektionsbeschreibungen in Ökosystemen (vgl. ebd., S.36).

[20] So werden z.B. Institutionen nur randweise angesprochen (vgl. Promp, 1990, S.73 u. 108).

[21] Betrifft den psychoanalytischen, lerntheoretischen und kognitionspsychologischen Ansatz.

[22] Betrifft den strukturfunktionalen, marxistischen und interaktionistischen Ansatz.

[23] Allerdings erweist sich durch die Benutzung ethologischer Begriffe die Beschreibung von Lernvorgängen bei Promp als sehr viel komplizierter als die entsprechenden Beschreibungen des lerntheoretischen Ansatzes (vgl. dazu Tillmann, 1989, S.72 ff.). Außerdem geht Promp auf Verstärkungslernen ein (vgl. Promp, 1990, S.69) und behandelt auch das Lernen am Modell (vgl. ebd., S.74), allerdings in sehr ungenauer, undifferenzierter Weise.

[24] Eine ausführliche Darstellung dieser kurz zusammengefaßten Ergebnisse findet sich im Artikel "Gene und Verhalten" aus der Zeitschrift 'Spektrum der Wissenschaft', der vom Redaktionsmitglied John Horgan verfaßt wurde (Horgan, 1993, S.76-83).

[25] Einzige Ausnahme bildet eine Untersuchung, die angeblich einen Marker für überdurchschnittliche Intelligenz lokalisiert hat.

[26] Der Begriff Eugenik geht auf die Idee Galtons zurück, "die menschliche Gesellschaft ließe sich durch 'bessere Zucht' verbessern (Horgan, 1993, S.79). Diese Idee wurde im Laufe der Geschichte mehrfach aufgenommen und z.B. von den Nationalsozialisten "mit (...) unerbittlicher Konsequenz und Menschenverachtung praktiziert" (ebd.).

[27] Vgl. dazu: "Es ist die Art der Erklärung selbst, die so ungeheure Attraktivität entfaltet. Die zentrale Behauptung der Soziobiologie lautet, daß alle Aspekte menschlicher Kultur und menschlichen Verhaltens genauso wie das tierische Verhalten in den Genen kodiert sind und durch natürliche Auslese ausgeprägt wurden. (...) Die akademische und populäre Attraktivität der Soziobiologie rührt direkt aus ihrem einfachen reduktionistischen Programm (...) her (...)" (Lewontin u.a., 1988, S.192).

 

Literatur

Darwin, Ch.: Die Entstehung der Arten, Stuttgart 1967

Eggers, Ph. u. Steinbacher, F.: Pädagogische Soziologie, Bad Heilbrunn 1979

Griese, H.M.: Soziologische Anthropologie und Sozialisationstheorie, Weinheim, Basel 1976

Hernegger, Rudolf: Anthropologie zwischen Soziobiologie und Kulturwissenschaft: die Menschwerdung als Prozeß der Selbstbestimmung und der Selbstbefreiung von den Determinismen der Gene und Umwelt, 1.Aufl., Bonn 1989

Horgan, John: Gene und Verhalten. In: Spektrum der Wissenschaft, August 1993, Jg. 1993, H.8, S.76-83

Hurrelmann, Klaus: Sozialisation und Lebenslauf, Reinbek 1976

Johanson, Donald: Lucy: Die Anfänge der Menschheit, Frankfurt/m.; Berlin 1989

Kaiser, Arnim u. Ruth: Studienbuch Pädagogik: Grund- und Prüfungswissen, 6.Aufl., Frankfurt am Main 1991

Koestler, A.: Der Mensch - Irrläufer der Evolution, Bern 1978

Lewontin, Richard, u.a.: Die Gene sind es nicht...: Biologie, Ideologie und menschliche Natur, München 1988

Leyhausen, P.: Das Verhältnis von Trieb und Wille in seiner Bedeutung für die Pädagogik, 1952, In: Lorenz, K. & P. Leyhausen: Antriebe tierischen und menschlichen Verhaltens, S. 54-76, München 1968

Miram, W. u. Scharf, K.-H. (Hrsg.): Biologie heute SII, Hannover 1988

Mühlbauer, K.R.: Sozialisation, München 1980

Promp, Detlef W.: Sozialisation und Ontogenese: ein biosoziologischer Ansatz, Berlin; Hamburg 1990

Tillmann, Klaus-Jürgen: Sozialisationstheorien. Eine Einführung in den Zusammen­hang von Gesellschaft, Institution und Subjektwerdung, Hamburg 1989

 

© 1993 Michael Lenz

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